Wir machen etwas, was selbstverständlich sein sollte: an der Seite von Frauen in diesem Land stehen. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute schieben wir radikalen Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern und ihrem grenzüberschreitenden Verhalten endlich einen Riegel vor. Mit diesem Gesetz beenden wir einen immer wieder vorkommenden unfassbaren Spießrutenlauf für Frauen in einer der schwierigsten Situationen ihres Lebens. Wir bringen die Grundrechte, die hier in einem Widerstreit stehen, endlich in ein ausgewogenes Verhältnis. Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht der Frau, die das Recht hat, frei über ihren Körper und ihre Familienplanung zu entscheiden. Nun folgt das juristische Grundlagenseminar, zum Beispiel auch für Herrn Müller: Der Bund ist selbstverständlich zuständig, und zwar nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz. Das ist eine Annexkompetenz, eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. – Da kann man noch mal schön die Anhörung nachhören. Eine Schwangerschaft ist der Intimsphäre der Frau zuzuordnen. Die Entscheidung darüber, ob ich eine Schwangerschaft erhalten oder beenden möchte, ist Ausdruck der Selbstbestimmung und damit der Privatsphäre zuzuordnen. All dies fällt unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Grundgesetz; es besteht ein sehr hohes Schutzniveau für die Frau. Der Staat hat aus verfassungsrechtlicher Perspektive also einen Schutzauftrag bzw. eine Schutzpflicht, schwangeren Frauen die Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts zu ermöglichen, insbesondere dann, wenn er sie verpflichtet, an einer Beratung teilzunehmen. Mit der Bannmeile von 100 Metern und der Benennung der Verhaltensweisen, die beim Zugang oder auch beim Verlassen gegenüber Frauen nicht möglich sein sollen, kommen wir diesem Schutzauftrag nach. Die Regelung ist in Bezug auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Abtreibungsgegner/-innen auch verhältnismäßig. Bei der Meinungsfreiheit ist zu beachten, dass die Meinungsäußerungen der Abtreibungsgegner/-innen selbstverständlich zur Meinungsbildung beitragen können und damit auch nach Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz geschützt sind. Allerdings erfolgt die Meinungskundgabe gerade nicht im neutralen Raum um ihrer selbst willen. Den Frauen wird im Grunde die eigene Meinung „aufgedrängt“, sodass im Rahmen einer Abwägung durchaus von einem gewissen Bedeutungsverlust gesprochen werden kann. Allgemeiner ausgedrückt: Um einen Schwangerschaftsabbruch straffrei vornehmen lassen zu können, sind Frauen gezwungen, sich beraten zu lassen. Damit sind sie de facto auch gezwungen, sich den Protesten der Abtreibungsgegner/-innen auszusetzen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist hingegen eher punktuell, da diese primär durch eine Orts- oder Zeitverlegung erfolgt. Eine solche Versammlung, die im Übrigen natürlich nach Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz geschützt ist, würde durch eine solche Verlegung auch nicht gegenstandslos werden. Das Anliegen der Abtreibungsgegner/-innen ist es, die Missbilligung von Schwangerschaftsabbrüchen auszudrücken und insoweit an der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben. Die Kundgebung ihrer Meinung kann überall und zu jeder Zeit sinnvoll den Zweck einer Versammlung erfüllen. Das Anliegen, explizit auf schwangere Frauen zuzugehen und auf sie einzuwirken, ist übrigens nicht durch Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz geschützt. Im Parlament haben wir uns noch mal sehr intensiv über den Entwurf gebeugt und innerhalb der verfassungsrechtlichen Leitplanken das Selbstbestimmungsrecht der Frau noch einmal gestärkt und ihn zum Beispiel mit der Streichung von § 8 Absatz 2 Nummer 4 dogmatisch stringenter gemacht. Deswegen ist dieses Gesetz ausgewogen. Normalerweise halte ich übrigens nicht so rechtstechnische Reden. Daher von mir hier noch mal zum Schluss: Heute ist ein guter Tag für Frauen. Während die Union mal wieder die Augen und Ohren verschließt und nichts gesehen und nichts gehört haben will und während die AfD die Frauen am liebsten nur noch als Gebärmaschinen betrachten möchte, stehen wir als SPD, stehen wir als Ampel für Fortschritt in der Frauenpolitik.