Die Gewerkschaften erhalten Verbandsklagerecht, und dafür werden wir eintreten. Frau Präsidentin! Abgeordnete! Für uns Grüne ist klar: Tarifverträge schützen, Tarifverträge ermöglichen deutlich bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen. Für uns ist klar: Eine steigende Tarifbindung würde auch die Sozialversicherungssysteme stärken. Käme es zu einer signifikanten Steigerung der Tarifbindung, brächte das zweistellige Milliardenbeträge für die Sozialversicherung und zweistellige Milliardenbeträge an zusätzlichen Einkommensteuereinnahmen für den Staat. Und Tarifbindung bietet auch für die Unternehmen Vorteile. Arbeitgeber, die tarifgebunden sind, bekennen sich klar zu fairen Löhnen und geregelten Arbeitsbedingungen. Umso besorgniserregender ist der Rückgang der Tarifbindung in Deutschland. Im Jahr 2000 – es ist schon angesprochen worden – arbeiteten noch fast 70 Prozent der Beschäftigten bei tarifgebundenen Arbeitgebern. Heute ist nur noch jeder zweite Beschäftigte durch einen Tarifvertrag geschützt. Nur jedes vierte Unternehmen ist noch tarifgebunden. Viele Branchen, insbesondere in Ostdeutschland, haben eine Tarifbindung von weniger als 30 Prozent der Beschäftigten. Die Tarifbindung droht in Deutschland vom Regel- zum Ausnahmefall zu werden. Das können, das dürfen wir nicht hinnehmen. Die Tarifbindung muss wieder nachhaltig gestärkt werden. Eine hohe Tarifbindung ist auch ein erklärtes Ziel der Europäischen Union. Und ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt, dass eine hohe Tarifbindung durchaus möglich ist. In Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden und Spanien liegt die Tarifbindung bei über 80 Prozent. 2022 hat die Europäische Union eine Mindestlohnrichtlinie beschlossen, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Ab November 2024 sind alle EU-Staaten verpflichtet, regelmäßig Aktionspläne mit konkreten Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung vorzulegen. Dies gilt, bis ein Schwellenwert von 80 Prozent der Tarifbindung überschritten wird. Auch Deutschland wird einen solchen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen zur Steigerung der Tarifbindung vorlegen müssen. Es ist völlig klar, dass die Stärkung der Tarifbindung ein ganzes Bündel von Maßnahmen erfordert. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, bei Aufträgen des Bundes die Vergabe an die Einhaltung des repräsentativen Tarifvertrags der jeweiligen Branche zu binden. Und es ist richtig: Wir haben da eine Bringschuld, die aussteht und die wir begleichen müssen. Darüber hinaus bedarf es weiterer Instrumente, um die Tarifbindung zu stärken. Dabei kommt, erstens, der Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen eine Schlüsselrolle zu. Deswegen sagen wir Grünen: Jede Tarifpartei soll in Zukunft einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Tarifausschuss stellen können. Ein gemeinsamer Antrag ist dann nicht mehr erforderlich. Das hatten wir übrigens schon mal. Zweitens. Die Vetomöglichkeit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Tarifausschuss soll begrenzt werden. Ein Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages soll im Tarifausschuss nur noch mit einer Mehrheit der Stimmen abgelehnt werden können. Ablehnungsbefugnis statt Zustimmungserfordernis! Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist in der Regel im öffentlichen Interesse, wenn kein kollidierender Tarifvertrag mit höherer Repräsentativität existiert. Klare Orientierung auf Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung! Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen sinnvoll. Es ist sinnvoll, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz so anzupassen, dass auch regionale Tarifverträge und ganze Entgeltgitter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Es ist richtig, Mitgliedsbeiträge an Gewerkschaften künftig zusätzlich zum Arbeitnehmerpauschbetrag als Werbungskosten steuerlich geltend machen zu können. Es ist richtig, zukünftig nur noch in Flächentarifverträgen von tarifdispositivem Arbeitsrecht abweichen zu können. Es ist richtig, die Tariffähigkeit von tarifschließenden Arbeitgeberverbänden zu stärken, indem gesetzlich festgelegt wird, dass alle Mitglieder tarifgebunden sind. Es ist richtig, für Tarifverträge generell die kollektive Nachbindung auch bei Kündigung von Tarifverträgen festzulegen. Im Gegensatz zur Nachwirkung gilt dann der gekündigte Tarifvertrag zwingend auch für Beschäftigte, – – die nach der Kündigung Gewerkschaftsmitglied werden, und für Neueingestellte, die Gewerkschaftsmitglied sind. Letzter Punkt. Wird das in der Koalition klappen? Nein, aber es ist richtig, und es wird nicht weniger wichtig, das zu tun. In diese Richtung gehen wir weiter.