Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine erhitzte Diskussion, ein falsches Wort, eine ausgerutschte Hand: Allzu oft ist das ein typischer Ablauf von Gewalttaten in Beziehungen oder in Familien. Leider ist diese Darstellung nicht nur typisch, sie ist auch beschönigend. Gewalt gegen Menschen – egal ob Frauen, Männer, Kinder oder Ältere – ist niemals eine harmlose Angelegenheit. Jeder Mensch hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Dass insbesondere Frauen häufiger als Männer Opfer dieser Straftaten sind, ist seit Langem eine traurige Tatsache, die nicht auf Deutschland beschränkt ist, sondern weltweit gilt. Deshalb wurden durch die Istanbul-Konvention auch bereits die entscheidenden Stellschrauben genannt, und deshalb hat Deutschland diese Konvention bereits umgesetzt. Der rechtliche Rahmen ist bereits vorhanden. Diese Gewalttaten sind verboten, und sie werden bestraft. Das Recht ist nicht das Problem. Vielmehr hapert es an der Durchsetzung. Das hat verschiedene Gründe, vor allem auch die von der Union angesprochene hohe Dunkelziffer. Viele dieser Taten enden ohne Strafe, weil niemand von ihnen erfährt. Aus Angst vor Vergeltung, aus Scham vor der eigenen Hilflosigkeit oder der Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden, zeigen viele Frauen solche Taten nicht an. Manche Frauen sind von ihren Partnern auch wirtschaftlich abhängig und erdulden daher diese Taten. Für die Frauen, die sich zur Polizei trauen, ist die Beweisaufnahme häufig eine erniedrigende Prozedur. An alledem ändert Ihr Ruf nach härteren Strafen überhaupt nichts. Ihr Lösungsansatz „Die Urteile sind zu milde, also erhöhen wir den Strafrahmen“ ist leider zu simpel gedacht. Nicht nur zeigt das einen mangelnden Respekt vor der Unabhängigkeit der Gerichte, sondern Sie übersehen außerdem, dass diese Koalition bereits letztes Jahr die Regeln für die Strafzumessung verschärft hat, um den Richterinnen und Richtern die Instrumente für höhere Strafen an die Hand zu geben. In § 46 Strafgesetzbuch sind geschlechtsspezifische Tatmotive in den Kreis der menschenverachtenden Beweggründe aufgenommen worden, um den Gewalttaten gegen Frauen besser Rechnung zu tragen. Sie wollen Täter besser abschrecken. Das ist begrüßenswert. Aber für Abschreckung ist nicht die Höhe der Strafe entscheidend, sondern die Angst, erwischt und verurteilt zu werden. Dafür müssen wir die Justiz an sich stärken und von Bürokratie entlasten. Sie haben in der letzten Legislatur mit dem Pakt für den Rechtsstaat die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht. Aber dieser Pakt ist ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein; denn mehr als vorhersehbare Personalausfälle durch Pensionierungen, Elternzeit oder Teilzeitarbeit hat er nicht aufgefangen. Daher haben wir uns darangemacht, die Justiz dauerhaft zu entlasten, indem wir mit Digitalisierung Abläufe beschleunigen und so den Beamten mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben verschaffen. Auch wollen wir das Strafgesetzbuch entstauben und aus der Zeit gefallene Straftatbestände abschaffen. So stärken wir den Rechtsstaat und gewährleisten die Durchsetzung von Gesetzen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Aber mit Ihrem Gesetzesvorschlag befinden Sie sich auf dem Holzweg. Vielen Dank.