Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind die Worte von Herbert Wehner vom 30. Juni 1960. Diese Rede schuf den Grundkonsens deutscher Außenpolitik, der bis heute gültig ist und der die vier Parteien in der Mitte des Hauses eint, einschließlich der Nachzügler und Spätberufenen aus der grünen Partei. Es ist die Stärke deutscher Außenpolitik und verschiedener Bundesregierungen, dass wir bis heute an diesem Grundkonsens festgehalten haben und dass wir auch heute gemeinsam feststellen können: Seit 75 Jahren garantiert die NATO Sicherheit und Frieden in Europa, spezifisch für Deutschland seit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland 1955. Die NATO hat bis heute auch den konzeptionellen Rahmen dafür geschaffen, wie wir mit Bedrohungslagen umgehen, und zwar in dem Harmel-Bericht aus der zweiten Hälfte der 60er-Jahre, dessen zentraler Satz lautet: Militärische Sicherheit und Entspannungspolitik widersprechen sich nicht. – Aktuell auf die Lage des russischen Angriffskriegs in der Ukraine übertragen heißt das: Militärhilfe für die Ukraine und diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges widersprechen sich nicht. Diese doppelte Strategie aus Abschreckung und Dialog, einschließlich der nuklearen Abschreckung, die Deutschland bis heute im NATO-Konzept unterstützt, auch mit der Erneuerung der Bomberflotte hier in Deutschland, ist das Markenzeichen der NATO-Politik. Ich finde, gerade zu diesem Jubiläum sollten wir daran erinnern, dass die NATO in erster Linie natürlich immer ein Verteidigungsbündnis war. Es war aber auch immer der Rahmen für Überlegungen, wie wir versuchen können, mit den schlimmsten Feinden Dialog zu organisieren, und wie wir Rüstungskontrolle und Abrüstung organisieren können. Über die Zeitläufe hat sich das Element von Abschreckung und Dialog immer neu angepasst, und zweifelsohne sind wir heute in einer Phase, wo Abschreckung gestärkt werden muss und Dialogmöglichkeiten mit Russland beispielsweise gering sind. Aber trotzdem will ich daran erinnern, dass sich die NATO immer in diesem Rahmen bewegt hat. Und auch die deutsche Außenpolitik sollte sich in Zukunft in diesem Rahmen bewegen. Ich will noch ein Letztes sagen; denn das ist eine große Veränderung, die sicher auch Herbert Wehner so nicht vorausgesehen hat: Mit der Wiedervereinigung ist in der Tat auch ein gemeinsames System europäischer Sicherheit entstanden und möglich geworden, nämlich die OSZE. Allerdings hat die russische Aggression in der Ukraine, aber auch schon die aggressive neoimperialistische Außenpolitik Russlands in den Jahren davor dieses OSZE-System in den Grundfesten erschüttert. Deshalb ist gerade für unsere Partner im Osten Europas und in Mitteleuropa die NATO die zentrale europäische Sicherheitsorganisation gegen das aggressive Auftreten Russlands geworden. Deswegen müssen wir diese NATO gerade auch mit Blick auf unsere osteuropäischen Partner wertschätzen und uns darauf einstellen, dass wir in den nächsten Jahren, vielleicht sogar auf Dauer, mit dieser aggressiven Politik Russlands umgehen müssen und dass wir Sicherheit vor Russland mit der NATO und im Rahmen der EU organisieren müssen. Das wird eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre sein. Herzlichen Dank.