Zwischenrufe:
4
Beifall:
8
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte darauf hinweisen, dass das, was gerade hier behauptet worden ist und versucht worden ist, zu skandalisieren, schon von den Zahlen her nicht zutreffend ist.
Im Jahr 2023 wurden in diesem Hohen Hause 51 Ordnungsrufe verhängt, davon immerhin 30 – aber eben nicht alle 51 – gegen Mitglieder der AfD.
Lachen bei Abgeordneten der AfD
Sechs davon gegen Sie, Herr Kollege Brandner, acht gegen Ihre Kollegin Frau von Storch. Also Sie sind die, die Ordnungsrufe sammeln.
Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Aber es ist keineswegs so, dass die Präsidenten blind gegenüber anderen wären, sondern es wird hier schon jeder Ordnungsruf verhängt, der notwendig ist,
wenn gegen die Ordnung des Hauses verstoßen wird. So sind die Zahlen, und deswegen stimmt es auch einfach zahlenmäßig nicht,
Ihre Zahlen stimmen bei den Wahlen nicht! Das ist besser! Da geht es bergab!)
was Sie hier gesagt haben. Deswegen muss man das auch zurückweisen.
Was wir hier heute beraten, nämlich Änderung der Geschäftsordnung, klingt ein bisschen technisch, erlaubt aber der Öffentlichkeit einen kleinen Blick hinter die Kulissen, in die Mechanik des Bundestages, in die Abläufe bei uns, die hier in der Geschäftsordnung geregelt sind. Wir haben ungeschriebene Regeln bei uns, Parlamentsbräuche. Wir haben Regeln, die wir bei Bedarf ad hoc im Ältestenrat oder zwischen den Geschäftsführern der Fraktionen, manchmal auch zwischen den Obleuten der Fraktionen in den Ausschüssen vereinbaren.
Aber es gibt auch die geschriebenen Regeln, die in der Geschäftsordnung des Bundestags niedergelegt sind, wie zum Beispiel die Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin und der Vizepräsidenten, die Abläufe hier im Plenum und in den Ausschüssen, Petitionen und dergleichen mehr. All das ist in 128 Paragrafen der Geschäftsordnung in zwölf Kapiteln niedergelegt. Immer wieder mal ist es notwendig, die Geschäftsordnung zu aktualisieren. Immer wieder mal werden Änderungen vorgenommen: Regeln, die sich erledigt haben, die sich überlebt haben und nicht mehr zeitgemäß sind, werden herausgestrichen, und neue Regeln werden hineingeschrieben.
Genau das tun wir hier. Das muss man nicht skandalisieren. Das ist ein Vorgang, der immer wieder mal stattfindet; diesmal aber in etwas größerem Rahmen, weil wir etwas mehr in der Geschäftsordnung regeln. Wir nehmen einige technische Änderungen vor. Wir schreiben einige Regeln fest, die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben, zum Beispiel das Rundenprinzip. Dies besagt, dass erst dann ein Redner einer Fraktion drankommt, wenn alle anderen Fraktionen schon einmal zum Debattenpunkt gesprochen haben. Zu nennen wäre auch die Festlegung der Praxis, dass die Fraktion, aus der ein Antrag kommt, die Debatte hier im Bundestag eröffnet.
Schließlich ist da noch das Vorschlagsrecht für das Amt der Präsidentin und der Vizepräsidenten, das allein bei den Fraktionen liegen kann, sodass also nicht einzelne Abgeordnete Vorschläge unterbreiten können. Es ist richtig, dass wir jetzt sagen: Ein solcher Vorschlag muss auch irgendwelche Erfolgsaussichten haben. Wenn es einer Fraktion in drei Wahlgängen nicht gelingt, Vorschläge zu unterbreiten, die für dieses Haus offenbar von Akzeptanz sind, dann muss man irgendwann auch sagen: Dieser Fraktion gelingt es offenbar nicht, Vorschläge zu unterbreiten, die hier im Haus eine Mehrheit finden.
Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Dieses Vorschlagsrecht muss dann zwar nicht untergehen, aber ein Vorschlag muss von einer gewissen Erfolgsaussicht getragen sein, die sich dadurch ausdrückt, dass mindestens ein Viertel dieses Hauses den Vorschlag trägt.
Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Man kann durchaus verlangen, dass dieses Vorschlagsrecht irgendwann auch mal von Erfolgsaussichten gekrönt sein muss.
Die Mehrheiten ändern sich!)
Und jetzt zum Ordnungsrecht. Das Parlament darf auch mal temperamentvoll sein. Es darf auch mal mit Zwischenrufen gearbeitet werden. Es gibt übrigens auch Parlamente auf der Welt, wo das nicht zulässig ist. Bei uns ist es zulässig, und man darf mit Zwischenrufen arbeiten. Die werden hier sogar protokolliert von den Damen und Herren des Stenografischen Dienstes, die manchmal auch noch das, was in der vierten Reihe gerufen wird, namentlich zuordnen können. Das ist auch mal einen Applaus für den Stenografischen Dienst wert, der hier manchmal wirklich bewundernswerte Arbeit leistet.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Aber es ist eben nicht alles erlaubt. Beleidigende Zwischenrufe, die persönliche Beleidigungen darstellen, haben zu unterbleiben, und das soll künftig in der Form geregelt werden, dass wir einen Automatismus einführen: Wer zu viele Ordnungsrufe kassiert – mindestens drei in drei Sitzungswochen –, der muss irgendwann auch mal ein Ordnungsgeld bezahlen. Diesen Automatismus fügen wir jetzt ein, und genau darum soll es gehen.
Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist kein Angriff auf die freie Rede, Herr Kollege Schnieder. Es heißt, dass die Rede getragen sein soll vom gegenseitigen Respekt. Beleidigende Bemerkungen sollen unterbleiben; das ändert aber nichts am Ermessen des Präsidiums. Von daher ändern wir nichts, sondern wir schreiben nur eine Praxis, die sich etabliert hat, in die Geschäftsordnung hinein. Das ist das, was wir tun.
Ich glaube, dass manche Bedenken, die seitens der Union erhoben worden sind, vielleicht auch etwas zu streng in die Neuerungen hineingelesen werden. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn wir in den Beratungen auch die Union noch davon überzeugen könnten, mit uns gemeinsam die Geschäftsordnung zu beschließen. Ich freue mich auf die Beratungen und hoffe, dass wir am Ende gemeinsam eine Geschäftsordnung verabschieden werden.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Daniela Ludwig, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)