Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Antrag der AfD eingehe, nur so viel, sehr geehrte Frau Huy: Von den 3,9 Millionen Bürgergeldempfängerinnen und -empfängern sind ganze 1,7 Millionen erwerbsfähig. Die anderen pflegen Angehörige, betreuen Kinder, nehmen an Qualifizierungsmaßnahmen teil, gehen noch zur Schule oder erhöhen als Aufstocker ihr Einkommen, sehr geehrte Damen und Herren. So viel zu den alternativen Fakten dieser Partei. Aber herzlichen Glückwunsch! In Sachen Realitätsverweigerung ist der Antrag, der hier vorliegt, wirklich einer der Höhepunkte. Anstatt auf die Expertinnen und Experten zu hören, die beim Thema Fachkräftemangel alle auf die Einwanderung von Fachkräften und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen setzen, wollen Sie Rentnerinnen und Rentner und Witwen und Witwer weiter schuften lassen. Menschen, die 45 Jahre oder noch länger Tag für Tag gearbeitet haben, sollen jetzt die Fachkräftelücke schließen. Es gibt mindestens vier große Themenfelder beim Fachkräftemangel. Mit denen beschäftigt man sich natürlich nur, wenn man nicht ausländerfeindlich ist und tatsächlich ein Interesse an der Attraktivitätssteigerung von Arbeitsplätzen hat. Erster Themenbereich: Bildung und Qualifizierung. Man kann sie verbessern durch Ausbildungsprogramme, durch die Stärkung der dualen Berufsausbildung, durch Weiterbildung, durch MINT-Programme; ich könnte noch viel mehr nennen. Der zweite Themenbereich betrifft die Arbeitsbedingungen und die Unternehmenskultur. Man kann sie verbessern durch flexible Arbeitszeitmodelle, durch Homeoffice, durch bessere Vergütung und mehr Tarifbindung. Auch dazu ist in dem AfD-Antrag nichts enthalten. Ein großes Themenfeld – dritter Themenbereich – ist natürlich die Fachkräftesicherung durch Migration. Man kann die Fachkräftegewinnung durch das moderne Zuwanderungsgesetz verbessern, das dieses Parlament mit deutlicher Mehrheit beschlossen hat. Gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir erleichtern die Verfahren. Wir erkennen die im Ausland erworbenen Abschlüsse eher an. Wir unterstützen bei der Integration durch Sprachkurse. Der vierte Themenbereich im Hinblick auf die Fachkräfte sind Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Inklusion. Dazu gehören zum Beispiel Geschlechtergerechtigkeit durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch mehr Vielfalt in Unternehmen durch Inklusionsinitiativen. Und was sagt die AfD zu diesen in der Fachwelt unstrittigen besten Maßnahmen? Sie will nicht mehr Fachkräfte aus dem Ausland haben. Deshalb will sie auch keine Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Im Gegenteil: Mit Ihrer Politik des Hasses, der Hetze und der Ausgrenzung von Menschen mit Migrationsgeschichte schrecken Sie sogar Fachkräfte und auch Investitionen aus dem Ausland ab. Das sagen im Übrigen nicht nur die SPD und ich als Vortragende, sondern auch der BDI und jüngst die „New York Times“, eine Zeitung, die übrigens jedem Investor vorliegt. Und hat die AfD Ideen zum Thema „Geschlechtergerechtigkeit und Verbesserung der Beschäftigungsquote von Frauen“? Natürlich nicht. Man könnte ja auf Ideen kommen wie zum Beispiel die Verbesserung der Kinderbetreuung, den Ausbau von Ganztagsschulen oder auch Beratungsangebote zum Wiedereinstieg nach längerer Pause in den Beruf. Sie wollen stattdessen lieber Witwen länger arbeiten lassen. Kein Wunder! Ihre Politik hat nichts mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Auch zum Thema „Bildung und Qualifizierung“ findet sich in dem Antrag keine einzige Silbe. Die Verringerung der Schulabbrecherquoten könnte dazugehören. Weiterbildungsmaßnahmen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – all das wäre notwendig, um zu einem guten Antrag zum Fachkräftemangel zu kommen. Diese Bundesregierung und die Koalition erarbeiten schon längst entsprechende Maßnahmen. Gibt es Maßnahmen im AfD-Antrag zum Thema Fachkräftemangel? Fehlanzeige! Was macht die AfD stattdessen? Ich zitiere aus dem Antrag – hören Sie gut zu! –: – Fachkräftemangel – Ja, herzlichen Glückwunsch, liebe Rentnerinnen und Rentner! Laut AfD sind Sie es also, die die Fachkräftelücke schließen sollen. Oder anders ausgedrückt: Der 68-Jährige, der vor drei Jahren in Rente gegangen ist und Zeit seines Lebens Dachdecker war, soll wieder aufs Dach klettern. Man kann sicherlich darüber nachdenken, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie man es älteren Arbeitnehmern leichter macht, länger im Erwerbsleben zu verbleiben. Viele Maßnahmen dazu habe ich bereits genannt. Zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren: Ich könnte noch ergänzen, dass man die Einkommensteuer – es geht hier um die Freibeträge – immer nach der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerschuldners berechnet. Rentnerinnen und Rentner, die eine hohe Rente bekommen, sollen laut AfD aber denselben steuerfreien Pauschbetrag erhalten wie Rentnerinnen und Rentner, die nur 800 Euro Rente bekommen. Ist das gerecht? Auch dazu sagt der Antrag nichts aus. Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich steht es jedem Rentner und jeder Rentnerin frei, in Rente nebenher noch Geld dazuzuverdienen. Möglichkeiten dazu gibt es reichlich. Wir haben die Hinzuverdienstgrenzen längst aufgehoben. Für diesen AfD-Antrag gilt allerdings: Es ist erneut ein überflüssiger Antrag, mit dem Sie das Parlament behelligen und der nur Steuergelder verschwendet. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.