Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Grundgesetz macht deutlich, dass die Würde eines Menschen unantastbar ist. Das Lebensrecht und das Recht auf die freie Entfaltung eines jeden sind nicht einzuschränken. Diese Grundwerte scheinen jedoch für manche nicht zu gelten. Unbekannte haben Ende Mai einen Ziegelstein in die Glasscheibe der Eingangstür der Mönchengladbacher Lebenshilfe geworfen. Darauf stand ein so unsäglicher Satz, dass ich ihn nicht wiederholen möchte. Der Angriff von Mönchengladbach ist ein feiger und perfider Angriff. Dieser Angriff ist ein Angriff auf uns alle; denn die Täter greifen mit solchen Taten und Parolen nicht nur Menschen mit Behinderungen an, sondern auch die Grundwerte unserer Gemeinschaft. Wir müssen uns mit dieser schrecklichen Eskalation auseinandersetzen, um dafür zu sorgen, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Die Identifikation der NS-Täter und die Dokumentation der Geschehnisse sind kein Selbstzweck. Vielmehr können wir durch die Aufdeckung der Strukturen dieser Verbrechen erkennen, wie Täter nach dem Zweiten Weltkrieg unbehelligt, manchmal über viele Jahrzehnte, weiter als ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft leben konnten. Unter dem Euphemismus der „Erbgesundheit“ wurden Zwangssterilisationen und Deportationen in Vernichtungsanstalten gerechtfertigt. Und noch immer sind Abertausende Akten, die diese monströsen Taten belegen, ungesichtet. Aus diesen Unterlagen lässt sich aber nicht nur rekonstruieren, wer für das Unrecht verantwortlich war, sondern auch, mit welchen Mitteln das Unrecht auch Jahrzehnte danach verharmlost wurde. Diese Erkenntnis hilft uns, dem Unrecht, das auch heute durchzubrechen droht, zu begegnen. Der vorliegende Antrag ist ein Baustein der Inklusion. Denn Inklusion bedeutet auch, die Geschichte von Menschen mit Behinderungen sehr ernst zu nehmen. Es bedeutet, Hass auch dann zu erkennen, wenn er sich unter Pseudonymen wie „Erbgesundheit“ als Technokratie tarnt. Das ist unser aller Forschungsauftrag. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bedeutet aber auch, dass wir die Einrichtungen und Dienste sensibilisieren müssen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass auch die Leistungen zur Demokratieförderung in die Landesrahmenverträge der einzelnen Bundesländer aufgenommen werden. Weiterhin wünsche ich mir, dass bei unserer Veranstaltung zur Inklusion im nächsten Jahr, veranlasst durch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, vielleicht sogar dieses Thema als Schwerpunktthema gewählt wird, dass also nicht nur die Vergangenheit der NS-Verbrechen aufgegriffen wird, sondern vor allen Dingen auch der Umgang mit Menschen mit Behinderungen nach dem Dritten Reich in der Bundesrepublik Deutschland. Aber viel wichtiger ist es, dass wir das Behindertengleichstellungsgesetz reformieren, und das, sehr geehrte Damen und Herren, ohne Abstriche. Das sind wir den Menschen schon lange schuldig. Noch ein letzter Satz. Es wurde angesprochen, dass eine Fraktion nicht gefragt worden ist, diesen Antrag mit zu unterzeichnen. Ich mache mir Sorgen darüber, dass es in den Reihen Ihrer Partei Mitglieder gibt, die Inklusion als Ideologieprojekt ansehen, die davon sprechen, das Bildungssystem davon zu befreien. Solch eine Partei hat unter diesem Antrag nichts zu suchen. Schönen Abend noch!