Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich folgende Satzteile zitieren: Das Boot ist voll. Jetzt sind sie da, und niemand hat ein Konzept. Sozial unverträglich. Viele sind braungebrannt, tragen Jeans und bunte T-Shirts. Diese Menschen können wir hier nicht mehr integrieren. Mit Tricks haben die Ankömmlinge ihren Sozialetat aufgebessert. Dem Missbrauch wird jetzt rigide abgeholfen. Bedrohung des sozialen Friedens. Irritation in der heimischen Bevölkerung, drohender Volkszorn. – Woran denken Sie, wenn Sie diese Worte hören, und um wen geht es? Es sind die Worte und Gedanken von Menschen in Deutschland. Es sind die Worte und Gedanken von Deutschen über Deutsche. Es sind die Worte eines „Spiegel“-Artikels aus dem Jahr 1989. Der Artikel diskutiert die Frage, wie die hohe Zahl der Geflüchteten aus der DDR im Westen bewältigt werden kann. Diese Worte sind nicht nur kennzeichnend für die damalige Zeit. Sie geben vielmehr ein Narrativ wieder, welches sich immer wieder wiederholt. Es geht darum, diejenigen zu Fremden zu machen, die angeblich nicht zur Gesellschaft gehören können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen ein paar ernstgemeinte Fragen stellen: Wie muss ein Migrant oder eine Migrantin sein, damit sie als integrierbar gilt? Aus welcher Kultur darf diese Person stammen und welche Religion haben? Welche Ansprüche bestehen an Flüchtlinge, die Schutz erhalten? Was gilt für die Menschen, die aus Syrien stammen, aus Afghanistan, aus der Türkei, aus der Ukraine? Und was ist, wenn diese Menschen Deutsche aus der DDR sind? Wenn die AfD in ihrem Antrag von kulturellen Differenzen spricht, meint sie eigentlich kulturelle Ungleichwertigkeit. Denn sie geht eben nicht von der Gleichwertigkeit aller Menschen aus, von der Gleichwertigkeit verschiedener Religionen, Kulturen und Sprachen. Das wird in dem vorliegenden Antrag sehr deutlich. Die Integrierbarkeit von Menschen aus muslimisch geprägten Ländern wird per se infrage gestellt. Dabei geht es hier im Kern nicht um Religion, sondern um Zuschreibung, um Vorurteile und Doppelstandards. – Ich komme dazu. Im Antrag wird von kriminellen und frauenfeindlichen Traditionen gesprochen, als wäre das ein zugewandertes Problem. – Hören Sie zu! – Jeden Tag wird in Deutschland das Leben einer Frau bedroht. Fast jeden dritten Tag wird eine Frau durch die Gewalt ihres Partners oder ihres Ex-Partners getötet. Also ja, wir müssen dringend über patriarchale Gewalt in unserer Gesellschaft sprechen und diese bekämpfen. Denn die hat Tradition in Deutschland, und da müssen wir genau hinschauen. Auch vermutet die AfD einen Zusammenhang zwischen Herkunftskulturen und Korruption. Also gut, lassen Sie uns über Korruption sprechen, zum Beispiel über die Korruptionsvorwürfe gegen die beiden Spitzenkandidaten der AfD zur Europawahl. Hier geht es um Bestechung durch autokratische Regimes. Welche Kultur soll das eigentlich darstellen? In Bezug auf gesellschaftliche Missstände misst die AfD mit zweierlei Maß. Das offenbart: Es geht weder um Kultur noch um Religion. Es geht auch nicht um Integration. Es geht um Rassismus. Keine Nation, keine Kultur, keine Gesellschaft ist homogen. Menschen leben in der Bundesrepublik sehr unterschiedlich zusammen, und das schon immer. Sie haben verschiedene Werte, Wünsche und Hoffnungen. Denn Deutschland ist eine Gesellschaft der Vielen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Statt hier unsere Zeit mit rassistischen Anträgen zu verschwenden, sollten wir über tatsächliche Bedarfe sprechen. Wir müssen die Strukturen modernisieren, die nachhaltige Integration ermöglichen. Dazu gehören der Ausbau von Kapazitäten in Ausländerbehörden, mehr Angebote für Sprach- und Integrationskurse, mehr Migrationsberatung für Erwachsene, mehr Bildungsangebote für junge Menschen. Für all das muss Geld im Haushalt bereitgestellt werden. Nein, danke. Ich werde fortfahren. – Denn die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft und die gleichberechtigte Teilhabe aller gehört zu den großen Zukunftsaufgaben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren, ich zitiere noch einmal: Das Boot ist voll. Sozial unverträglich. Bedrohung des sozialen Friedens. – Ich stelle Ihnen erneut die Frage: Wie muss eine Person sein, damit sie in unsere Gesellschaft passt, und was sagt das eigentlich über unsere Gesellschaft aus? Vielen Dank.