Es geht genauso nicht, wenn Menschen wegen ihrer sexuellen Identität irgendwie beleidigt oder verfolgt werden. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn erst mal etwas klarstellen, weil ich glaube, dass das wichtig ist. Frau Kollegin Wulf, das, was Ihnen an der Universität Göttingen widerfahren ist, ist inakzeptabel. Da sind rote Linien überschritten worden. Das geht so nicht. Das ist aber, glaube ich, allen hier in diesem Haus vollkommen klar. Frau Bär, ich weiß nicht, wodurch Ihr Eindruck entstanden ist. Aber weder Kollegin Schönberger noch Kollege Kaczmarek haben es in irgendeiner Art und Weise gutgeheißen oder unterstützt. Wir verurteilen es alle miteinander und meinen, dass es, wenn frei gewählte Abgeordnete auf Einladung nicht mehr sprechen können, inakzeptabel ist und dass so etwas nicht vorkommen darf. Dass wir darüber heute so diskutieren, hat ja einen Hintergrund. Das hat seinen Hintergrund in den Debatten der letzten Wochen und Monate, die an den Universitäten, aber eben auch in der Öffentlichkeit und natürlich hier im Deutschen Bundestag geführt wurden. Ich muss sagen: Mir gehen diese Debatten und Diskussionen sowohl als Wissenschaftspolitikerin als auch als Wissenschaftlerin tatsächlich nahe, wenn ich das mal so sagen darf. Ich glaube auch, dass die Art und Weise, wie wir die Debatte hier gerade führen, ein Beispiel dafür ist, was im Moment in der Debattenkultur in diesem Land falschläuft. Denn es geht nicht, dass frei gewählte Abgeordnete nicht frei sprechen können. Es geht nicht, wenn Menschen wegen ihrer Religion, etwa weil sie Jüdinnen oder Juden sind, vor Gewalt Sorgen haben müssen und nicht mehr studieren gehen können. Es geht aber auch nicht, wenn Menschen, die im Rahmen ihrer freien Meinungsäußerung die israelische Regierung kritisieren, pauschal zu Antisemiten erklärt werden. Das ist alles nicht in Ordnung. Das ist aber leider die Art und Weise, wie wir derzeit Debatten in diesem Land führen, gerade auch in diesem Haus. Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit – darum geht es ja heute – stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Wissenschaft und Forschung leben von diesen Freiheiten. Sie sind der Motor für technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt und für Innovation. Ich will auch sagen, dass diese grundgesetzlich abgesicherten Freiheiten ja der Grund sind, warum Deutschland als Wissenschaftsstandort so erfolgreich ist, warum ausländische Studierende und Forschende hierherkommen wollen. Diese Freiheiten sind eine Sicherheit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, nämlich die Sicherheit, frei von politischer Einflussnahme zu forschen. Das ist ein großer, großer Vorteil, den wir hier in Deutschland haben, und den müssen wir uns unbedingt bewahren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich habe viele Jahre an der Universität gelernt, geforscht und gelehrt und sie dabei jederzeit als einen freien Ort erlebt, an dem durchaus auch kontroverse Debatten geführt werden; dafür sind sie da. Umso mehr erschüttert es mich, wenn Studierende und Forschende das – wie derzeit – anders erleben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es mich so deutlich sagen: Wenn sich Hochschulangehörige an Universitäten und Forschungseinrichtungen nicht mehr sicher fühlen, dann ist eindeutig eine rote Linie überschritten, dann ist das inakzeptabel. Dabei heißt Sicherheit Schutz vor Gewalt, aber auch Schutz der grundgesetzlich garantierten Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. In diesem Zusammenhang irritiert es mich, wenn die Verfassungstreue von Forschenden aus unterschiedlichsten Disziplinen bei ihrer freien Meinungsäußerung infrage gestellt wird. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Ich teile die Inhalte des mittlerweile bekannten offenen Briefs vom 8. Mai dieses Jahres ausdrücklich nicht. Aber er steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Ich bin Frau Ministerin Stark-Watzinger dankbar, dass sie das heute im Fachausschuss und gerade auch im Plenum noch mal deutlich gemacht hat. Ich habe vorhin von der Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit für den Standort Deutschland gesprochen. Dass der Eindruck entstanden ist – und wenn es nur ein kleiner Eindruck ist –, dass die freie Meinungsäußerung förderrechtliche Konsequenzen haben könnte, hat das Potenzial, großen Schaden für den Wissenschaftsstandort Deutschland anzurichten. Das ist ein Problem. Ich möchte deswegen noch mal betonen, dass es nun umso wichtiger ist, transparent und schnell alle noch offenen Fragen zu klären und vor allem das Vertrauen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder aufzubauen. Das erwarte ich. Vielen Dank.