Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ukrainekrieg, Zeitenwende, Energiekrise: In dieser schwierigen Phase im Februar, März 2022 hat die Bundesregierung eine gravierende Fehlentscheidung getroffen, nämlich: Augen zu und durch beim Atomausstieg. Die Gefährdung unserer Versorgungssicherheit, die Entwicklung der Strompreise, die Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion: All das hat, wie wir heute wissen, in den Akten der Fachleute, in den Behörden und in den Ministerien eine entscheidende Rolle gespielt, aber nicht in Ihren öffentlichen Verlautbarungen. Ein Untersuchungsausschuss – wir haben ja gerade von Herrn Thomae einiges dazu gehört; meine Kollegin Weisgerber hat über Parlamentarische Untersuchungsausschüsse promoviert; auch da könnte man das nachlesen – soll „unabhängig von anderen Staatsorganen mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern“ prüfen. So definiert der Deutsche Bundestag die Aufgaben eines Untersuchungsausschusses. Und genau darum geht es, Frau Scheer und Frau Mihalic, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: um Missstände und Fehlverhalten bei dieser Entscheidung durch die Bundesregierung. Das Ergebnis der Europawahl legt nahe, dass viele Wähler ganz allgemein bei dieser Regierung Missstände und Fehlverhalten erkennen. Aber heute geht es um die spezielle Frage, ob im Jahr 2022 die Prüfung möglicher längerer Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke in der größten jemals dagewesenen Energiekrise sauber abgelaufen ist, und daran bestehen ganz erhebliche Zweifel. Wir müssen annehmen, dass es Missstände und Fehlverhalten gab, namentlich bei Robert Habeck und Steffi Lemke sowie deren Ministerien, und das soll dieser Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Vizekanzler und Energieminister Habeck am 27. Februar 2022 eine Prüfung „ohne Denktabus“ in Aussicht gestellt. Diese Vorgabe galt offensichtlich genau für einen Tag; denn da hat die Bundesumweltministerin Lemke längere Laufzeiten bereits ausgeschlossen. Gemeinsam haben sie dann Anfang März einen sogenannten Prüfvermerk vorgelegt. Ergebnis: Ein Weiterbetrieb sei nicht möglich. – Vielerlei fachliche und rechtliche Gründe wurden damals angeführt, während Herr Habeck nun letzte Woche im Fernsehen erklärte: Natürlich hätte man die Entscheidung auch anders treffen können. – Also, was stimmt denn nun eigentlich, meine Damen und Herren? Als CDU/CSU-Fraktion haben wir dieses von Anfang an aus unserer Sicht durchsichtige Scheinprüfen der Bundesregierung kritisiert, im Rahmen unserer parlamentarischen Kontrollrechte kritisch begleitet, zum Beispiel durch mehrere Kleine Anfragen – die eine gleich im April 2022 –, durch Fragen in der Regierungsbefragung, durch Befassung in den zuständigen Ausschüssen, durch zahllose schriftliche Fragen und bereits mehrfach hier im Plenum. Die Antworten, die Sie dem Parlament gegeben haben, sind aus heutiger Sicht teils mehr als fragwürdig. Journalisten, die Fragen hatten, mussten erst klagen, um aufklären zu können. Mit allen juristischen Mitteln hat das Habeck-Ministerium zwei Jahre lang Akten unter dem Deckel gehalten. Erst kürzlich haben Sie der Rechtsprechung Folge geleistet und Unterlagen herausgegeben. Es mag viele Gründe geben, weshalb die Glaubwürdigkeit der Grünen aktuell im Keller ist; aber ein ganz wesentlicher ist das Auseinanderfallen von Worten und Taten. Niemand strapaziert den Begriff der Transparenz so sehr wie die Grünen. Aber wenn es dann darauf ankommt, will man selbst herzlich wenig davon wissen. Nachdem meine Fraktion mehrfach beim für die nukleare Sicherheit zuständigen Bundesumweltministerium die Übermittlung weiterer Akten, und zwar vollständig und ungeschwärzt, und eine Sicherung der im Ministerium vorhandenen Akten verlangt hat, mussten wir uns von einem grünen Staatssekretär doch allen Ernstes anhören, wir würden mit unseren Zweifeln der Demokratie schaden. Das finde ich wirklich ungeheuerlich, meine Damen und Herren! So geht es nicht in der Auseinandersetzung hier im Deutschen Bundestag. Um es für meine Fraktion klarzustellen: Erstens. Parlamentarische Kontrolle ist demokratischer Alltag, und ein Ministerium sollte damit ohne Schaum vor dem Mund umzugehen wissen. Zweitens. Nicht derjenige, der sich für Aufklärung und die Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen einsetzt, schadet der Demokratie, sondern derjenige, der entgegen eigenen Vorgaben Denktabus anlegt und bei dem Parteiinteresse offensichtlich vor Gemeinwohl geht. Es geht um Vertrauen in staatliche Institutionen; es geht um den Grundsatz „Staat vor Partei“, um ein föderales Miteinander auf Augenhöhe und die Unabhängigkeit der Atomaufsicht, die nie zur Disposition stehen darf. Deshalb sollten Sie, die Abgeordneten von SPD und Grünen, Ihre Vorbehalte gegenüber der Einsetzung dieses Ausschusses noch einmal überdenken und Ihre Rechte und Pflichten als Abgeordnete wahrnehmen, eben um Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern zu prüfen, und zwar mit den Mitteln dieses Untersuchungsausschusses.