Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Februar hat der Finanzminister die wirtschaftliche Lage Deutschlands als „peinlich“ bezeichnet. Der Wirtschaftsminister hat von einer „dramatischen Lage“ gesprochen. Vier Monate später stellen wir fest: Deutschland ist weiter in der Stagnation. Kein Wachstum, nirgends! Wir sind Schlusslicht der Industrieländer. Investitionen fließen aus Deutschland ab wie nie zuvor. Wer kann, investiert im Ausland. Kurzum: Die beiden Minister hatten also recht. Die Lage ist peinlich. Die Lage ist dramatisch. Aber es passiert nichts, gar nichts. Diese Regierung tut nichts! Seit vier Monaten warten wir darauf, dass was passiert. Nichts passiert! Der Kanzler redet sich die Lage schön. Bei dem hat man eh den Eindruck, der lebt in einer anderen Welt. Man muss sich das mal bewusst machen: Der Wirtschafts- und der Finanzminister der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt streiten seit Monaten vor aller Augen täglich. Ihr Streit ist mittlerweile zum größten Standortrisiko für Deutschland geworden. Die Ampel ist zum größten Standortrisiko für Deutschland geworden, weil es für die Unternehmen keine Sicherheit gibt, wo es langgeht. Nun erleben wir die neueste Staffel in Ihrer Streitserie. Am letzten Freitag, Herr Strengmann-Kuhn, kündigt der Wirtschaftsminister – wenn mich nicht alles täuscht, noch Mitglied Ihrer Fraktion – von den Grünen an, das deutsche Lieferkettengesetz aussetzen zu wollen, und zwar nicht irgendwann, sondern er hat gesagt: Jetzt sollte man es aussetzen. Der Finanzminister von der FDP sieht das eh schon länger so. Der Justizminister hat das Ganze begrüßt. Sehr gerne. Frau Präsidentin! Herr Kollege, wir bereiten uns ja vor auf diese Debatte, und deswegen haben wir uns noch mal sehr genau angeschaut, was der Wirtschaftsminister – übrigens nicht zum ersten Mal; er hat es auch vorher schon häufiger gesagt, wenn auch nicht immer öffentlich – am letzten Freitag öffentlich gesagt hat. Er hat gesagt, er möchte, dass es jetzt pausiert. Die Berichtspflichten sind übrigens der Kern des Gesetzes; darum geht es in diesem ganzen Lieferkettengesetz. Übrigens hat er recht: Es ist doch Unsinn, von den deutschen Unternehmen zu erwarten, dass sie sich auf das Inkrafttreten der europäischen Lieferkettenrichtlinie vorbereiten sollen, und parallel dazu die noch bürokratischere deutsche Lieferkettenregelung in Kraft zu setzen. Das ist doch einfach Unsinn! Er hat also recht. Die Frage, Herr Strengmann-Kuhn, ist mittlerweile eine andere. Sie sind auf dem Weg, Herrn Habeck zum Spitzenkandidaten der Grünen zu machen. Wir erleben das Muster regelmäßig. Beim CCS-Gesetz geht Herr Habeck voran, schlägt eine Regelung vor, von der man durchaus sagen könnte: Sie ist vernünftig und pragmatisch. – Die erste Kritik kommt aus den eigenen Reihen. Frau Badum und andere sagen: So ein Gesetz wollen wir nicht haben. Herr Habeck sagt am Freitag wieder etwas Vernünftiges – „Endlich!“, möchte man rufen –, und die Ersten, die ihn kritisieren, sind Sie. Sie haben hier eine Rede gehalten, als hätte Herr Habeck gar nichts mit Ihnen zu tun. Das ist Ihr Vizekanzler! Er soll Ihr Spitzenkandidat werden. Sie haben ein Problem bei den Grünen! Das sollten Sie endlich mal klären, aber eben nicht in aller Öffentlichkeit, weil es am Ende nur noch mehr Verwirrung schafft. Ja. Das kann ich Ihnen tatsächlich erklären, sogar ziemlich einfach. Das Problem besteht in einem Missverhältnis zwischen Ihrer Ankündigung und der Ankündigung Ihrer Bundesregierung. Es ist ja gar nicht so, dass die Bundesregierung gelegentlich nicht auch das Richtige ankündigt. – Stopp! Stopp! Stopp! Ich habe gesagt, dass es gar nicht so ist, dass die Bundesregierung gelegentlich nicht auch das Richtige ankündigt. Da gibt es nur ein Problem. Wir haben das letzte Woche erlebt – vielleicht erinnern Sie sich – in der Handelsdebatte. Die Bundesregierung beschließt, dem Bundestag vorzuschlagen, Wirtschaftsabkommen mit einigen Ländern zu ratifizieren. Wir machen hier eine Debatte und merken: Schon in den die Regierung tragenden Fraktionen gibt es dafür keine Mehrheit. – Insofern stimme ich Ihnen zu: Gelegentlich bringt die Bundesregierung das Richtige auf den Weg. Das Problem ist nur: Sobald es hier bei Ihnen in der Ampel ankommt, zerfleddern Sie es so weit, dass nichts mehr von dem bisschen übrig bleibt. Das ist das Problem der Ampel. Dann denkt man sich: Prima, Wirtschafts- und Finanzminister sind sich endlich einmal einig! Einmal haben Herr Habeck und Herr Lindner die gleiche Meinung! Endlich ist das kapiert und verstanden, endlich passiert was! Und dann? Dann wird der Freitag zum Samstag, und dann kommt die SPD und sagt: Nein, das wird mit uns nicht passieren. Da fragt man sich: Reden Sie überhaupt mal miteinander? Geht der Vizekanzler bei einem solchen Thema, bei dem die ganze deutsche Wirtschaft seit Monaten darauf wartet, dass es ein Signal gibt, einfach raus und redet vorher nicht mit Ihnen? Wie muss man sich das vorstellen? Wie läuft das eigentlich? Wie soll denn Vertrauen in den Standort Deutschland entstehen, wenn der Wirtschaftsminister der drittgrößten Volkswirtschaft mit dem Finanzminister einen Vorschlag macht, um in der Rezession endlich mal ein richtiges Signal zu setzen, und das Erste, was passiert, ist, dass die eigenen Leute Nein sagen? Wie soll so Vertrauen entstehen? Erklären Sie mir das mal! Zuerst einmal habe ich ja gerade dargelegt, dass spätestens mit der europäischen Lieferkettenregulierung das deutsche Lieferkettengesetz obsolet ist. Das ist doch der eigentliche Punkt. – Ich rede genau zu dem Thema. – Wir haben mit den Kirchen darüber geredet, aber meine Positionierung ist nicht allein von einzelnen Gesprächen abhängig, sondern von der Gesamtabwägung dessen, was gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Deutschland notwendig ist. Das ist doch der Punkt. Noch einmal: Warum diskutieren wir das heute, am 13. Juni 2024? Warum? – Ich bin noch nicht fertig mit der Beantwortung Ihrer Frage. – Weil vor nicht mal einer Woche Ihr grüner Wirtschaftsminister angekündigt hat, dass das Lieferkettengesetz pausieren soll. – Entschuldigung, ich bin eigentlich noch nicht fertig mit der Beantwortung Ihrer Frage, aber ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht mal die Gepflogenheiten hier einhalten. Alles okay. Ich höre erst einmal zu, was die Regierung sagt, und es wäre gut, wenn auch Sie gelegentlich zuhörten, und zwar nicht, was überall sonst gesagt wird, sondern was Ihr Wirtschaftsminister sagt, und das endlich mal umsetzten. Ich frage mich ja, wie das eigentlich gehen soll, wenn Sie einen grünen Spitzenkandidaten haben, der hier in Deutschland antreten soll, und die grüne Fraktion bei allen entscheidenden Dingen, die der Wirtschaftsminister vorschlägt, immer Nein sagt. Da wünsche ich aber gute Reise bei dieser Spitzenkandidatur. Wie soll das eigentlich funktionieren? Die Ergebnisse der Europawahl am letzten Sonntag waren ein deutliches Misstrauensvotum gegen die Ampel. Olaf Scholz hat die Verbindung zu den Deutschen verloren. Ich glaube im Übrigen, dass sich das nicht reparieren lässt. Die Grünen sind out. Ihre Ampelpolitik stärkt vor allem die extreme Rechte und die extreme Linke im Land. Das ist der Befund vom letzten Sonntag. 12 Prozent der Wahlberechtigten sagen: Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist gut. – Nur noch 12 Prozent! Man erinnere sich: Vor drei, vier Jahren waren es fünfmal so viele. Da sagten 60 Prozent: Die wirtschaftliche Lage ist gut. Wachstum müsste also ganz oben auf der Agenda stehen. Und was machen Sie? Was muss eigentlich noch passieren? Wenn man sich das am Sonntagabend angeguckt hat: Da kommen die Wahlergebnisse, und Ihre Leute sagen im Fernsehen: Wir müssen unsere Politik besser erklären. – Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr müsst die Politik nicht besser erklären, ihr müsst eine andere Politik machen, damit Vertrauen in den Standort Deutschland zurückkehren kann. Vertrauen gewinnt man durch Taten. Ankündigungen, die nichts zählen, sind Gift für die Demokratie. Folgenlose Ankündigungen sind ein Konjunkturprogramm für Extremisten. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn der Vizekanzler und Wirtschaftsminister und der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland der deutschen Wirtschaft, dem deutschen Mittelstand ankündigen, dass das deutsche Lieferkettengesetz ausgesetzt wird und damit massive Bürokratie wegfällt, dann, finde ich, hat die deutsche Öffentlichkeit ein Recht darauf, dass das auch eine Folge hat. Denn sonst sind die Worte dieser Regierung nichts mehr wert, und das ist das eigentliche Problem.