Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier in einer Aktuellen Stunde über ein Thema, das die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufgesetzt hat. Der erste Teil des Titels dieser Aktuellen Stunde von CDU/CSU lautet: „Lehre aus der Europawahl ziehen“. Das Erste, was mir dabei einfallen würde, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, wäre, dass wir als demokratische Parteien der Mitte Populismus und Fake News aus unseren Debatten heraushalten sollten. Lieber Kollege Middelberg, Sie haben in Ihrer Rede behauptet, es gäbe 2 Millionen arbeitslose Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger, die morgen anfangen könnten zu arbeiten. Das war nicht das erste Mal, dass Sie das hier sagen. Vor einigen Monaten, als Sie noch 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger gezählt haben, habe ich Sie schon auf Folgendes hingewiesen: 70 Prozent der arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfänger bzw. Bürgergeldempfänger haben keinen Berufsabschluss, und 25 Prozent von diesen haben keinen Schulabschluss. Schauen Sie sich mal die Statistiken unter dem Gesichtspunkt an, wie viele offen gemeldete Stellen es für Ungelernte gibt! Das sind 500 Stellen im Jahr 2022. Da stellt sich doch die Frage, wie Sie das erreichen wollen. Sie streuen Sand in die Augen der Bürgerinnen und Bürger, und das ist der Populismus, der die Ränder links und rechts bei der Europawahl starkgemacht hat. Lieber Kollege Middelberg, deshalb haben wir wesentliche Veränderungen von Hartz IV zum Bürgergeld vorgenommen, die unter anderem den Schwerpunkt auf langfristige Vermittlung legen. Wir haben den Schwerpunkt darauf gelegt, dass wir es Menschen, die keine Qualifikation haben, ermöglichen, eine Qualifikation zu erwerben, damit sie dauerhaft im Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Das ist doch der Kern dessen, was die FDP in diese Bürgergeldreform eingebracht hat. Das müssen Sie doch zumindest mal anerkennen. Aber entscheidend ist, lieber Kollege Middelberg: Sie dürfen keine falschen Befürchtungen in den Raum stellen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, ist jener Populismus, der die rechten und die linken Populisten im politischen Spektrum starkmacht. Wenn man sich genauer anschaut, welche Sorgen die Bürgerinnen und Bürger vor der Europawahl hatten, dann stellt man in der Tat fest, dass jeder Zweite die Lebensstandardsicherung thematisiert. In der Tat haben viele im Moment die Sorge, wie sie in Zukunft ihren Lebensstandard halten können. Deshalb ist es auch gut, dass die FDP jetzt mitregiert. Wir lassen den Menschen beispielsweise mehr Netto vom Brutto, damit sie sich wieder etwas aufbauen können, damit sie den Wirkungen der Inflation etwas entgegensetzen können. Wir haben einen Vorschlag zur Entlastung gemacht: 7 Milliarden Euro beim Wachstumschancengesetz für die Entlastung der Wirtschaft und damit auch für gute Löhne und gute Arbeitsplätze. Sie, Herr Spahn, lieber Jens, haben das über die Länder im Bundesrat blockiert, sodass am Ende nur noch ein Konsens über 3,2 Milliarden Euro Entlastung gefunden werden konnte. Das ist das Problem, das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben, nämlich dass Sie als Union nicht konstruktiv mitarbeiten, wenn Sie im Bundesrat die Möglichkeit dazu haben. Das ist das Problem, das die Menschen mit unserer Politik hier haben. Da sollten Sie sich künftig etwas anders im Bundesrat benehmen. Sie haben auch unserem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht zugestimmt, obwohl Sie gerade bei diesem Punkt allen Grund gehabt hätten, einmal öffentlich anzuerkennen, dass Sie in den letzten 10 bis 15 Jahren falsch gelegen haben. Der Fachkräftemangel, der heute unserer Volkswirtschaft jährlich 90 Milliarden Euro entzieht, ist ja nicht vom Himmel gefallen, er ist auch nicht mit der Bundestagswahl 2021 plötzlich über uns gekommen, sondern den konnte man voraussehen. Denn nichts ist so beständig und so sicher voraussagbar wie die Demografie. Sie haben da immer blockiert, übrigens auch Ihre eigene Ministerin Ursula von der Leyen, und sind hier nicht den richtigen Weg gegangen. Jetzt haben wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Damit werden wir endlich – leider zu spät – den Weg dafür ebnen, dass Menschen mithilfe eines Punktesystems, wie es erfolgreiche Einwanderungsländer haben, in diesen Arbeitsmarkt einwandern können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der richtige Weg. Der Hinweis „Präsident“ blinkt schon. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr sachorientierte Politik statt Populismus! Vielen Dank.