Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion! Das ist eine beachtliche Debatte. Leider haben wir bisher sehr wenig über Ihr Konzept der neuen Grundsicherung erfahren. Fangen wir aber einmal beim Titel dieser Aktuellen Stunde an: die Europawahl. Ja, die war für die Regierungsparteien nicht gut, keine Frage. Bündnis 90/Die Grünen hat neun Sitze verloren, die SPD hat zwei Sitze verloren. Aber – auch das wurde schon gesagt – Ihre eigene Fraktion hat auch keinen Sitz dazugewonnen. Das ist gefährlich, weil die Stimmen bei den Demokratiefeinden gelandet sind. Aber Ihnen fällt trotzdem nichts anderes ein, als dieselbe Leier zu spielen wie schon vor der Wahl. Damit tragen Sie nicht zum Zusammenhalt dieser Gesellschaft bei. Sie spalten diese Gesellschaft vielmehr mit dem, was Sie hier tun, indem Sie Falschbehauptungen aufstellen. Sie haben keine Antworten auf die tatsächlichen Probleme dieser Zeit. Die Grundsicherung, die Sie hier präsentieren wollen, hat nichts damit zu tun, wie wir mehr Wirtschaftswachstum generieren. Sie hat nichts damit zu tun, wie wir Fachkräfte sichern, und sie ist auch kein Beitrag zur Gestaltung der Arbeitswelt. Sie arbeiten sich an Regelsätzen ab, deren Anpassungsmechanismus Sie selbst mitbeschlossen haben. Sie behaupten immer und immer wieder, Arbeit würde sich nicht lohnen, und enthalten sich ganz heldenhaft bei der Mindestlohnerhöhung. So können wir die Arbeitswelt nicht modernisieren. Sie fordern immer mehr Sanktionen. Dabei wurden die Sanktionen nie abgeschafft; aber das behaupten Sie immer. Die Sanktionen wurden nie abgeschafft. Wir haben sie bei Totalverweigerern sogar noch verschärft. Aber kann man Menschen in Arbeit sanktionieren? Nein, das kann man nicht. Und das wissen Sie auch ganz genau. Sanktionen helfen nicht weiter, wenn wir die Menschen in Arbeit bringen wollen. Dafür brauchen wir mehr Unterstützung durch Coaching, durch mehr Weiterbildung. Genau das gehen wir mit dem Bürgergeld an. Trotzdem stellen Sie sich hierhin und erklären uns, wie man – das ist es am Ende – den sozialen Abstieg der arbeitenden Mitte organisiert. Ich möchte an einem Beispiel klarmachen, warum dieser Kurs so gefährlich ist. Wir haben im Ruhrgebiet gerade große Diskussionen, weil es bei thyssenkrupp Stahl sehr schlecht aussieht. Das Management hat sich über Jahre verzockt. Anstatt auf den sicheren Standort Deutschland zu setzen, hat man mit einem Stahlwerk in Brasilien 8 Milliarden Euro in den Sand gesetzt – wortwörtlich auf Sand gebaut. Das geht jetzt zulasten der Beschäftigten hier. Jetzt will das Management rund 50 Prozent der Belegschaft entlassen. Das sind knapp 14 000 Menschen allein in Duisburg. Ich glaube, ich brauche hier nicht zu sagen, was das für die Menschen, die Stadt, die Jobs, die ganze Region, geschweige denn für die Zulieferer bedeutet. In einer solchen Situation ist auch ein guter und stabiler Arbeitsmarkt nur begrenzt aufnahmefähig. Wir tun natürlich alles, damit es nicht so weit kommt. Wir sorgen dafür, dass die Transformation der Wirtschaft keine Deindustrialisierung bedeutet. Deswegen haben wir thyssenkrupp auch mit 2 Milliarden Euro unterstützt. Aber in einer solchen Situation braucht es auch ein gutes soziales Sicherungsnetz, einen Sozialstaat, der den Beschäftigten, die sich jetzt Sorgen machen, bei ihrem Kampf den Rücken stärkt. Sie schlagen zum Beispiel die Abschaffung des Schonvermögens vor. Herr Dr. Middelberg, Herr Linnemann, Sie haben gar nicht gesagt, was Sie wollen. Was bedeutet denn diese Grundsicherung konkret, wenn man auf die Menschen schaut? Wenn der Facharbeiter bei thyssenkrupp 30 Jahre lang malocht hat, dann hat er, wenn er jeden Monat 110 Euro für die Altersvorsorge zurückgelegt hat, 40 000 Euro angespart. Wenn der jetzt seine Arbeit verliert und nicht innerhalb eines Jahres neue Arbeit findet, dann wollen Sie ihm diese Altersvorsorge sofort wegnehmen. Aber ich frage: Wer hat denn ein solches Vermögen angespart? Das sind die fleißigen Menschen in diesem Land. Das sind doch nicht die, die faul auf der Couch sitzen und nichts tun. Für die ist das Schonvermögen doch das Bürgergeld. Ebenso wollen Sie die Karenzzeit für die Unterbringungskosten abschaffen, damit nach der Altersvorsorge sofort die Wohnung dran ist. Das ist sozialer Abstieg, den Sie hier organisieren wollen. Das wissen Sie doch selbst am besten. Deswegen steht doch zu diesem Thema am Ende in Ihrem Papier, dass es gilt, darauf zu achten, dass Obdachlosigkeit vermieden wird. Sie wissen also selbst, was die logische Konsequenz Ihrer Forderung ist. Nach 30 Jahren schuften geht’s ab auf die Straße, weil sich das Management verzockt hat. Das hat mit Sozialstaat nichts zu tun. – Das steht in Ihrem Papier, Herr Spahn. Das ist gesellschaftlicher Abstieg, und das ist respektlos. Ich habe es doch gerade schon gesagt: Wenn 14 000 Menschen auf einen Schlag arbeitslos werden, ist der Arbeitsmarkt nicht so aufnahmefähig. Dann landen die Menschen zwangsläufig, wenn es schiefgeht, genau da. Diesen Menschen zollen wir Respekt, Sie nicht. Nur hart arbeitende Menschen haben sich Vermögen angeschafft. Wir lassen die Menschen nicht im Stich. Wir haben mit dem Bürgergeld einen Sozialstaat für die arbeitende Mitte geschaffen, der absichert und nicht stigmatisiert, der Menschen in Arbeit bringt und nicht auf die Straße. Dafür stehen wir: Sicherheit für die arbeitende Bevölkerung. Herzlichen Dank.