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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Springer von der AfD-Fraktion, Sie haben behauptet, dass Frau Kramme heute gerechtfertigt hätte, dass Menschen aus Deutschland mit dem Flixbus in die Ukraine fahren, und haben sich darüber lächerlich gemacht.
Ich habe mich darüber geärgert!)
Stimmt, Frau Kramme hat das heute gerechtfertigt. Was Sie unterlassen haben, ist, die Begründung zu nennen. Die Begründung, die Frau Kramme genannt hat, ist, dass es sich um Familien – Kinder und Frauen – handelt, die vielleicht ein letztes Mal ihre Väter bzw. ihre Ehemänner sehen können. Sie wollen noch einmal in die Heimat fahren, weil es sich in einem Krieg befindet. Sie haben vielleicht ein Haus in der Heimat und wollen noch einmal sehen, ob es überhaupt noch existiert. Frau Kramme hat aber richtiggestellt, dass Familien nicht dauerhaft in die Ukraine ziehen dürfen und einfach weiter Bürgergeld beziehen können, sondern sich beim Jobcenter abmelden müssen, weil es sonst zu Leistungskürzungen, Leistungsentzug und Rückforderung kommt.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist schäbig, dass Sie diese Begründung weggelassen haben. Es ist offensichtlich – das war schon gestern der Fall –, wieso Sie das machen. Sie sagen lautstark in Talkshows: Wir brauchen jetzt Diplomatie statt Waffen. Wir müssen mit beiden Seiten reden. Wir müssen mit der Ukraine und mit dem russischen Aggressor reden. Beide Seiten sind relevant. – Und gestern, als der ukrainische Präsident hier im Deutschen Bundestag geredet hat, weigern Sie sich, diese Rede überhaupt zu hören. Sie wollen lieber einen schnellen Presseaufschlag haben und zeigen Respektlosigkeit. Wie, glauben Sie, funktionieren eigentlich Friedensverhandlungen, wenn der Deutsche Bundestag sich so benähme wie Sie? Glauben Sie, Herr Selenskyj wäre dann bereit, überhaupt Gespräche zu führen?
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt eine zweite Widersprüchlichkeit in Ihrem Antrag. Sie sagen: Wir wollen eigentlich weniger Ukrainer in Deutschland aufnehmen. Das ist uns zu viel. Wir sind überlastet. Wir wollen das alles nicht. – Was passiert eigentlich, wenn Wladimir Putin seine Kriegsziele in der Ukraine durchsetzt, wenn wir die Unterstützung für die Ukraine fallen lassen? Wie viele Ukrainer werden dann den Weg nach Westeuropa auf sich nehmen? Wenn Sie weniger Geflüchtete aus der Ukraine wollen, dann sollten Sie die Ukraine unterstützen und nicht die Unterstützung fallen lassen. Das ist ein Widerspruch. Es geht nur eins von beidem.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin den Kollegen auch sehr dankbar; denn wir sollten als Parteien der politischen Mitte nicht den Fehler begehen und sagen, es gebe gar keinen Sozialmissbrauch; das ist völlig ausgeschlossen. Ich glaube, wenn wir das behaupten, dann stärken wir diejenigen, die genau diese Welle reiten, um die Entsolidarisierung mit der Ukraine voranzutreiben.
Beifall des Abg. Maximilian Mörseburg [CDU/CSU])
Ich bin meinen Kollegen dankbar für ihre Vorschläge. Ich unterstütze explizit den Vorschlag des Bundesrechnungshofes, wonach die Jobcenter – genauso wie die Finanzämter – Kapitalerträge aus dem Ausland registrieren und berücksichtigen sollten. Ich mache des Weiteren den Vorschlag – hier kann die Bundesregierung liefern –, einen Datenaustausch zwischen Jobcentern und Meldeämtern zu ermöglichen; bislang gibt es keinen. Ein Datenaustausch zwischen Schulen und Jobcentern wäre auch eine Möglichkeit, um festzustellen, ob die Betreffenden hier dauerhaft leben oder nicht. Ja, wir haben Hausaufgaben zu erledigen – jeder, auch in den Kommunen, in den Ländern und im Bund –, damit die nicht Stimmung machen und auf dieser Welle reiten. Vielen Dank, dass Sie das betont haben. Ich würde mich freuen, wenn wir als Bundesregierung da weiter aktiv bleiben und an diesen Stellen etwas machen.
Ich möchte noch etwas betonen. Es gibt einen lustigen Widerspruch. Herr Kollege Springer hat hier fröhlich aus den Zeitungen Fälle von Sozialmissbrauch zitiert. Was meinen Sie eigentlich, wie diese Artikel in die Zeitung gelangt sind?
Weil das Jobcenter den Sozialmissbrauch bemerkt hat, das Geld zurückgefordert hat und an die Presse gegangen ist. Das ist ja genau der Grund, wieso es an die Öffentlichkeit gelangt ist: Es ist durch die Jobcenter öffentlich geworden, die den Sozialmissbrauch entdeckt haben.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Daher gibt es überhaupt die Zeitungsartikel, die Sie zitieren können.
Ein Zeitungsartikel ist mir ganz besonders aufgefallen – den nennen Sie auch in Ihrem Antrag –, nämlich ein Zeitungsartikel aus dem „Focus“, in dem berichtet wird, dass eine Familie im Bürgergeldbezug angeblich 40 000 Euro ergaunert hat; so haben Sie das mal in einer Ausschusssitzung gesagt. Sie haben Herrn Terzenbach, den Beauftragten für den Jobturbo der Bundesregierung, darauf im Ausschuss angesprochen. Daraufhin hat Herr Terzenbach dort und öffentlich nachlesbar als Stellungnahme der Bundesarbeitsagentur gesagt, dass sie diesem Fall in Schleswig-Holstein nachgegangen sind. Sie haben jedes Jobcenter einzeln nach der Existenz dieser Menschen gefragt, und dabei ist herausgekommen, dass es diesen Fall nicht gibt. Den gibt es nicht.
Da sieht man mal, wie der „Focus“ arbeitet!)
Sie zitieren ihn trotzdem, obwohl Sie keine Beweise für den Fall haben und die Bundesarbeitsagentur mehrmals gesagt hat, sie habe versucht, diesen Fall zu finden. Das zeigt den Unterschied zwischen der politischen Mitte und Ihnen.
Ja, wir machen was gegen Sozialmissbrauch. Wir nutzen den Sozialmissbrauch aber auch nicht aus, um uns zu entsolidarisieren mit der Ukraine, wo Kinder und Frauen vergewaltigt werden und sterben, während Sie sich schäbig darüber lustig machen, wenn Frauen ein letztes Mal ihren Ehemann sehen wollen. Sie sollten sich schämen für diese Logik, die Sie mit diesem Antrag bewiesen haben.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat Dr. Ottilie Klein für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)