Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Zuschauer/-innen! Ich will ja irgendwie gar nicht so richtig wissen, was mein Vorredner von der AfD eigentlich mit dem „vermeintlichen Kriegsgebiet“ der Ukraine meint. Da kann ich nur spekulieren, lasse es aber vielleicht lieber, und widme mich mal Ihrem Antrag. Sie fordern ja immer, dass Sie ernst genommen werden möchten und dass man sich mit Ihren Vorschlägen beschäftigen soll. Ich habe mir also mal die Mühe gemacht und Ihren Antrag gelesen. Kern des Antrags ist, dass Sie vermuten, dass Menschen ohne deutschen Pass in Deutschland Sozialleistungen beziehen, aber hier gar nicht dauerhaft lebten. Sie gehen also davon aus, dass sich Menschen ohne deutschen Pass hier Leistungen erschleichen. Dazu sei schon mal gesagt: Es ist heute schon so, dass Menschen hier grundsätzlich nur dann Bürgergeld erhalten, wenn sie nachweislich zur Arbeitssuche hierherkommen oder bereits hier arbeiten. Die Ausnahme davon sind die Ukrainer/-innen aufgrund der Massenzustrom-Richtlinie. Aber für alle anderen gibt es bereits jetzt einen Leistungsausschluss, wenn man hier nicht arbeitet oder gearbeitet hat. Ich würde jetzt einfach mal davon ausgehen, dass es den meisten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in diesem Land doch ziemlich schnell auffiele, wenn die Leute, die für sie arbeiten, nicht hier sind. Es können also eigentlich nur Einzelfälle sein, über die wir hier sprechen. Die AfD hat sich jetzt als Lösung dieses vermeintlichen Problems überlegt, dass die Menschen ohne deutschen Pass grundsätzlich alle vier Wochen zum Gespräch ins Jobcenter eingeladen werden sollen, um zu überprüfen, ob sie denn noch in Deutschland anwesend sind. Vorweg möchte ich sagen, dass ich es grundsätzlich total gut finden würde, wenn wir es schaffen würden, Menschen im Bürgergeldbezug alle vier Wochen zu einem Termin ins Jobcenter einzuladen. Denn alle Statistiken zeigen schließlich, dass eine gute und engmaschige Betreuung am besten dabei hilft, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Und das ist ja nun mal die Aufgabe des Jobcenters: Menschen in Arbeit zu vermitteln oder sie dabei zu unterstützen, sich zu qualifizieren, um perspektivisch wieder in Arbeit zu kommen. Nun weiß ich nicht, ob die AfD-Abgeordneten jemals in einem Jobcenter waren oder mit den dort Beschäftigten gesprochen haben. Mir scheint, das ist offenbar nicht der Fall. Wenn man sich die Mühe mal macht – ich und meine Kolleginnen machen das regelmäßig –, stellt man schnell fest, dass es für die meisten Kundinnen und Kunden des Jobcenters fernab der Realität ist, alle vier Wochen zu einem Termin in ihr Jobcenter eingeladen zu werden, und das nicht, weil sie es nicht wollen würden, sondern weil die personellen Kapazitäten in den Jobcentern viel zu begrenzt sind, um eine solche Termindichte in irgendeiner Art und Weise darstellen zu können, nicht mal für diejenigen, die beispielsweise dringend die Unterstützung durch enge Betreuung bräuchten, wie die Langzeitarbeitslosen. Ein Realitätscheck an dieser Stelle: Ich habe gerade heute mit dem Geschäftsführer eines Jobcenters gesprochen, und er hat mir gesagt: Wenn die Jobcenter versuchen würden, die Kontaktdichte des Jobturbos, den wir gerade hochfahren – alle sechs Wochen ein Termin –, auf alle Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger auszuweiten, dann bräuchten sie eine Verdoppelung des Personals. Also stehen wir hier jetzt – wie so oft in der Sozialpolitik – vor der grundsätzlichen Abwägung: Entweder versucht man, eine Leistung so passgenau und missbrauchssicher wie möglich auszugestalten – das bedeutet viele Nachweise, Kontrollen, Personal und Bürokratie, also einen hohen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten –, oder man entscheidet sich, eine Leistung eher pauschal auszugestalten, und arbeitet eher mit Stichpunktkontrollen. Das bedeutet weniger Bürokratie und weniger Verwaltungsaufwand, aber gleichzeitig auch weniger Einzelfallgerechtigkeit und Passgenauigkeit. Der Vorschlag der AfD würde dieses System nun hin zu mehr Kontrolle verschieben, um ein paar der von Ihnen vermuteten schwarzen Schafe mehr zu erwischen. Gleichzeitig aber würde das zu dem Preis passieren, dass die Arbeitsmarktintegration aller Menschen im Bürgergeld, egal ob mit deutschem Pass oder ohne, deutlich schlechter ausfallen würde, weil die Kapazitäten der Betreuung schlicht und ergreifend nicht da sind. Zugespitzt: Jobcenter oder Aufenthaltsstasi, was soll es denn jetzt eigentlich sein? In der Abwägung komme ich zu dem Fazit: Lassen Sie die Jobcenter doch bitte ihren Job machen, und der lautet Arbeitsmarktintegration. Unsere verankerten Gesetze und Kontrollen sind gut und hinreichend. Die Beispiele, die Sie bringen, zeigen: Leute, die sich dem entziehen, werden auch gefunden; sonst gäbe es die Presseberichte ja nicht. Ihr Antrag ist realitätsfern und deswegen abzulehnen. Vielen Dank.