Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Vor zwei Jahren hat die Koalition den Nationalen Aktionsplan „Queer leben“ auf den Weg gebracht. Unser Ziel ist: Queere Menschen sollen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Aber lassen Sie mich als queeren Mann hier direkt zu Beginn eines festhalten: Das war und ist trotz aller Fortschritte immer noch nicht vollständig der Fall. Eines ist nach den vergangenen zwei Jahren aber auch klar: Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Die Koalition hat sich den gesellschaftlichen Fortschritt auf die Fahnen geschrieben, und wir haben auch geliefert. Nein. Ich möchte den Anlass heute nutzen, um Revue passieren zu lassen, was die Ampel in ihren knapp drei Jahren erreicht hat. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz haben wir jahrzehntelange rechtliche Diskriminierung von Trans- und nicht binären Menschen abgeschafft. Ab November wird die Zeit, in der Menschen zur staatlichen Anerkennung ihrer Identität gezwungen waren, ihre Ehen scheiden zu lassen oder sich sterilisieren zu lassen, die Zeit, in der Menschen eine psychische Störung nachweisen sollten, um korrekte Ausweisdokumente zu erhalten, endlich der Vergangenheit angehören. Wir haben das diskriminierende Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, abgeschafft. Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu verweigern, Blut zu spenden, ist nicht nur eine unverschämte Stigmatisierung, sondern verschärft eine ohnehin schon problematische Versorgung mit Blutkonserven. Das gefährdet Menschenleben. Wir haben mit der Anpassung des Sanktionsrechts auf die Zunahme queerfeindlicher Straftaten reagiert. Queerfeindliche Tatmotive können jetzt vor Gericht explizit strafverschärfend gewertet werden – genau wie fremdenfeindliche, rassistische, frauenfeindliche und antisemitische Motive. Außerdem können queere Geflüchtete in Deutschland nicht mehr mit der absurden Begründung, sie könnten ihre sexuelle Orientierung ja diskret ausleben, in Länder abgeschoben werden, in denen Gefängnis und Tod drohen. Und wer hier weiterhin denkt, das sei ein valider Grund, der hat Gleichberechtigung eindeutig nicht richtig verstanden. Gleichberechtigt zu leben, bedeutet nicht, sich irgendwie vor Verfolgung schützen zu können. Es bedeutet, die Person sein zu können, die man ist, ohne dass man überhaupt einen Gedanken daran verschwenden muss, ob das kleinere oder gravierendere Nachteile für einen selbst haben könnte. Das alles sind nicht nur kleine Verbesserungen für das Leben und den Schutz von queeren Menschen, das sind Meilensteine. Es sind weitreichende Gesetzesänderungen, die nach jahrelangem Stillstand – seit 2017 schon – endlich den Weg ebnen zu einem Rechtssystem, das zu unserer Gesellschaft passt: modern, offen und wunderbar bunt. „Meilensteine“ heißt aber auch, dass wir noch nicht am Ziel sind. Es ist noch viel zu tun. Vergehen gegen queere Menschen nehmen überall auf der Welt zu, auch hier in Deutschland. Queere Menschen werden weiter diskriminiert – von anderen Menschen, aber auch durch den Staat. Letzteres liegt in unserer Macht zu ändern. Noch immer werden Regenbogenfamilien nicht in dem Maße anerkannt wie ihre heterosexuellen Pendants. Noch immer wird bei polizeilichen Durchsuchungen und Unterbringungen nicht genug auf die Bedürfnisse von Trans-, Inter- und nicht binären Menschen geachtet. Noch immer fehlt die rechtliche Absicherung von queeren Wahlfamilien und allen Menschen, die grundsätzlich Verantwortung füreinander übernehmen wollen. Noch immer gibt es kein wirksames Verbot von Konversionsbehandlungen und von geschlechtszuweisenden Operationen. Noch immer fehlt im Grundgesetz ein explizites Verbot der Diskriminierung von queeren Menschen. Aber es gibt eine gute Nachricht an dieser Stelle: Auch da sind wir dran. Vielen Dank.