- Bundestagsanalysen
Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch für Ihre mahnenden Worte. – Das Thema dieser Debatte ist nicht so einfach. Am Anfang will ich sagen: Gesellschaftliche Akzeptanz, Rückhalt von der Familie und von Freunden, Zivilcourage und Sichtbarkeit sind der beste Schutz vor Gewalt und Diskriminierung.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Genau das spiegelt der Inhalt des Nationalen Aktionsplans wider. Der ressortübergreifende Nationale Aktionsplan soll finanziell unterlegt und umgesetzt werden, um Queerfeindlichkeit zu bekämpfen. Der Aktionsplan ist eine Selbstverpflichtung der gesamten Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, ich hatte gerade mit meinem Kollegen Kruse die kurze Diskussion: Wann ist eine Minderheit eigentlich eine Minderheit? In Deutschland definieren sich 11 Prozent der Menschen als queer. Das sind über 9 Millionen Menschen. 26 Prozent sagen von sich selbst, dass sie schon einmal sexuelle Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht hatten. In der gesamten Gesellschaft sagt jeder zweite Mensch, dass er einen homosexuellen oder einen queeren Menschen in der Familie, in seinem Freundeskreis oder in seinem Kollegenkreis hat.
Meine Damen und Herren, reden wir hier wirklich von einer Minderheit? Dennoch gibt es Teile in der Bevölkerung, die keinerlei Bezug zu queerpolitischen Themen haben.
Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Wir müssen diese Menschen mitnehmen, ihre Fragen beantworten und mit ihnen ins Gespräch kommen. Das schafft dann am Ende Verständnis und Akzeptanz. Auch wenn die Menschen in Deutschland nach wie vor hinter der Gleichstellung von homosexuellen Paaren stehen, sehen wir doch, dass es zurzeit eine Umkehrbewegung gibt. Gewalt, Anfeindungen und auch Straftaten gegen queere Menschen nehmen in Deutschland mittlerweile zu. Das sollte uns alle miteinander beunruhigen.
Es sollte uns auch beunruhigen, was wir alle schon als selbstverständlich gesehen haben: Jeder vierte Deutsche ist in Deutschland mittlerweile gegen die Ehe für alle. Das sollte uns echt zu denken geben. Wenn wir uns die Zustimmungswerte zu Regenbogenfamilien und queeren Lebensentwürfen einmal anschauen, dann sehen wir, welche Notwendigkeit gerade dieser Nationale Aktionsplan hat, der für solche Informationen, für Sichtbarkeit, für Akzeptanz sorgen soll.
Frau Kollegin Wulf, Sie hatten beim Selbstbestimmungsgesetz angemahnt, dass wir noch nicht die Beratungsangebote aufgebaut haben. Da muss ich Sie leider korrigieren. Erstens beginnt der Umsetzungsprozess des Aktionsplans erst im Herbst. Das heißt also, das, was Sie fordern, kann jetzt noch nicht daraus gefolgt sein. Und zum anderen gibt es diese Beratungsstellen auch heute schon. Auch heute werden Transpersonen nicht allein gelassen. Auch heute gibt es tatsächlich schon Beratungsstellen in einem gewissen Umfang, den wir natürlich noch ausbauen wollen.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, Frau Präsidentin.
Bei dieser Gelegenheit grüße ich Sie alle ganz herzlich. – Bitte schön, Frau Kollegin.
Vielen Dank, Herr Kollege, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben mich direkt angesprochen, und deshalb müssen wir die Debatte hier einmal führen. Der Aktionsplan liegt seit November 2022 vor. Er wird jetzt erstmalig im Parlament beraten. Jetzt sagen Sie, er soll im Herbst umgesetzt werden. Finden Sie nicht auch, dass dieses Tempo der Bundesregierung – unabhängig davon, ob wir die Inhalte teilen oder nicht –
Lachen der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
vielleicht ein bisschen langsam ist?
Frau Wulf, wenn man sich den Aktionsplan genau anschaut und durcharbeitet, merkt man, dass es hier auch einen Beteiligungsprozess gibt. Der ist in solch einer Vielfalt, dass es natürlich auch eines zeitlichen Aufwands bedarf, alle Akteurinnen und Akteure mit an Bord zu holen, um die Maßnahmen umzusetzen. Es macht keinen Sinn, dass man das der Bevölkerung von der Regierungsbank aus vorschreiben will, sondern man muss natürlich mit allen Beteiligten reden. Ich finde es sehr schön, dass Sie mehr Tempo fordern. Danke dafür. Aber das ist ein Beteiligungsprozess, der Zeit braucht wie auch die Umsetzung am Ende. Trotzdem bleibe ich dabei: Es gibt auch heute schon Beratungsangebote. Transmenschen werden auch heute nicht alleingelassen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kathrin Henneberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber was mir bei der Diskussion Sorgen gemacht hat, Frau Kollegin, ist, dass das Selbstbestimmungsgesetz zu einem Stellvertreterkrieg geworden ist, dass wir Debatten geführt haben, die am Ende so etwas wie einen Kulturkrieg ausgerufen haben.
In der Tat!)
Und der ist von vielen ausgerufen worden, nur nicht von den Transpersonen. Das waren Menschen, die ganz eigene und sehr falsche Ziele verfolgt haben.
Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
– Ja, weil die Kollegin da schon so reinruft: Mich wundert es tatsächlich ein Stück weit auch, dass queere Menschen die AfD wählen. Aber queere Menschen sind halt nicht besser und nicht schlechter und nicht schlauer als der gesamte Durchschnitt der Bevölkerung.
Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Aber es ist eine gute Gelegenheit gewesen, hier einmal an eine AfD-Forderung zu erinnern, wie die Ehe für alle abzuschaffen oder CSDs zu verbieten.
Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage aus der AfD? Entschuldigung, ich muss dazwischengehen, weil so wenig Zeit ist.
Nein, Frau Präsidentin, ich möchte gerne zum Schluss kommen. Die haben bestimmt noch Gelegenheit, ihre kruden Thesen vorzutragen.
Meine Damen und Herren, auch wenn sich die AfD hier als Beschützerin der Community verkaufen will, bleibt es dabei, dass sie einen Kulturkampf führen will gegen eine liberale Gesellschaft. Dem werden wir eine klare Absage erteilen.
Klar ist, eine vielfältige und diskriminierungsfreie Gesellschaft ist mehr als die Abwesenheit von diskriminierenden Gesetzen. Vielfalt macht eine Gesellschaft freier und damit auch stärker. Sie kann die Gesellschaft sogar einen, wenn es gelingt, Anderssein zu akzeptieren.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die nächste Rednerin ist Bettina Margarethe Wiesmann für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)