Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD ist nichts anderes als ein Totalangriff auf unser gesamtes Asylsystem und auf die Menschenrechte in toto. Deshalb lehnen wir ihn auch in Gesamtheit ab. Mit demokratischen Kräften ist dieser Plan nicht zu haben. Wir werden nicht akzeptieren, dass Sie planen, Pushbacks zur Regel zu machen, also Zurückweisungen zum Prinzip zu machen, nur um Ihr Merkel-Trauma an uns abzuarbeiten. Mit uns ist nicht zu haben, dass Sie dieses Land einhüllen und einkerkern in Zäune; das ist ja Ihr Plan. Das ist a) gar nicht machbar und wäre b) das Ende eines freien Europas und ist das Gegenteil dessen, was wir wollen. Auch bei Grenzkontrollen überlegen wir uns ganz bewusst und sorgsam, wie lange wir sie machen. Das Ziel sind eben nicht dauerhafte Grenzkontrollen. Das Ziel sind erst recht nicht Binnengrenzen mit Zäunen und Mauern. Nicht mit uns! Es wird auch nicht der Fall sein, dass wir, wie Sie es deutlich fordern, komplett Duldung und Bleiberecht abschaffen, dass Menschen, die hier keine Anerkennung haben, basale Menschenrechte verlieren, letztlich wie Vieh behandelt werden. Auch das ist mit uns nicht zu haben. Niemals! Die gesamten demokratischen Kräfte werden trotz aller Differenzen zusammenstehen, das zu verhindern. Auch Ihre Phantasmagorie, man könne einfach zurückweisen, ist sachlich falsch. Selbst da, wo sich Juristen streiten, ob das EuGH-Urteil Anwendung findet aufgrund bilateraler Abkommen, sagen Fachleute wie Thym und andere eindeutig und glasklar: Es gilt europäisches Recht. Es gilt die Dublin-Verordnung. Es gilt die Asylverfahrensrichtlinie. Wir können und dürfen weder aus moralischen noch aus rechtlichen Gründen einfach zurückweisen, auch nicht bei Asylantragstellung. Niemals werden wir dieses Spiel mitmachen. Die Abschaffung des Non-Refoulement-Prinzips, das Sie da fordern, ist das Ende der Menschenrechte in Europa und in Deutschland. Es wird nicht der Fall sein, dass wir dies hier Einzug halten lassen. Und denken Sie das mal zu Ende: Wer will in so einem Land leben? Erst mal will sowieso kein vernünftiger Mensch dauerhaft mit Ihnen in einer Regierung leben. Aber wenn wir uns so einkerkern, stirbt in diesem Land die Freiheit, sterben die Menschenrechte, stirbt der Markt, stirbt die Vernunft, sterben deutsche Unternehmen. Ist das ein Land, in dem Sie leben wollen? Ich möchte in diesem Land nicht leben. Die Koalition möchte in einem solchen Land nicht leben. Ich denke, nein, ich bin überzeugt, auch die CDU/CSU will, bei allen Differenzen, die wir haben, in einem solchen Land nicht leben und kann das nicht ertragen. Also kurzum: Ohne uns! Diese Horrorvision, die Sie hier predigen – nicht nur heute, sondern schon seit Jahren –, wird niemals Realität werden. Gott sei Dank und dank unserer Arbeit! Ich muss aber heute auch noch was anderes sagen. Ich kann nicht anders, sozusagen mein Wort zum Wochenende oder mein Wort zum Sonntag. Wir müssen auch diesen Antrag in einen Gesamtkontext einordnen. Wir müssen, glaube ich, auch einen Blick werfen auf die gestrige Regierungserklärung. Wir können uns gern über gesetzliche und untergesetzliche Fragen streiten; das müssen wir auch – mit Respekt und hart. Wir können auch diskutieren über Möglichkeiten und Praktikabilität – hart, deutlich, tiefer Streit, aber respektvoll. Bei allem dürfen wir aber nicht vergessen, was uns eint und was den Unterschied macht zwischen allen Demokratinnen und Demokraten hier im Raum, bei allen signifikanten Unterschieden, und Ihnen sowie dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Dann sehe ich aber gestern im „Spiegel“, wie mein Kollege Pahlke sagt: „Seehofer wird jetzt rechts vom Kanzler überholt.“ Und da muss ich staunen. Dieser Kanzler hat in seiner Rede gestern sich massiv dafür eingesetzt, dass Menschen, egal welcher Herkunft sie sind – Migrationsgeschichte oder nicht –, selbstverständlich Teil dieses Landes sind. Dieser Kanzler hat zusammen mit uns für ein menschenwürdiges Chancen-Aufenthaltsrecht gekämpft, damit wir sinnlose Abschiebungen stoppen, damit Menschen, die integriert sind und hier leben, anerkannt werden und würdevoll leben können. Ist das rechts? Dieser Kanzler hat sich mit uns dafür eingesetzt, dass Menschen arbeiten können, dass Arbeitsverbote aufgehoben werden, dass Verfahren beschleunigt werden. Und er hat sich dafür eingesetzt, dass wir endlich ein Staatsangehörigkeitsrecht haben, das nicht nach Blut und Boden funktioniert, sondern nach Herz und Hirn und nach modernen rechtsstaatlichen Prinzipien. Ist das rechts? Ich finde, das ist nicht rechts, und das ist nicht rechts von Seehofer. Denn die Politik von Herrn Seehofer und seinen Vorgängern und auch von Angela Merkel war eine ganz andere. Deshalb kann ich das nicht unkommentiert stehen lassen. Und es geht noch weiter. Ich lese dann auch noch, dass der Kanzler Standhaftigkeit „einfach nicht im Kreuz“ habe. So steht es in dem Artikel, und das finde ich ehrabschneidend; denn auf diese Weise werden dem Kanzler Standhaftigkeit und Haltung abgesprochen. Das sehe ich aber nicht. Ich bin – gerade bei dieser sensiblen Frage der Migration – nicht der Meinung, dass wir moralisch von oben herab Personen abqualifizieren sollten und dass wir belehrend maßregeln und darüber entscheiden sollten, wer die guten und wer die schlechten Menschen sind. Wir sollten uns gerade bei dieser Frage mit solchen moralischen und charakterlichen Urteilen zurückhalten. Deshalb plädiere ich noch mal deutlich dafür, dass wir uns bei aller Notwendigkeit des Streites und der Selbstbefassung darin einig sind, was den Unterschied macht zu den Antragstellern, was uns Demokraten eint, und dass wir im Kreise der Demokratinnen und Demokraten nicht auf diese Weise übereinander urteilen, sondern respektvoll und mit angemessenem politischem Stil. Vielen Dank.