Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit. – Das ist schon mal eine Problemanalyse der Union, der wir uns anschließen können. Doch meiner Meinung nach erschöpft sich darin dann auch die Produktivität des Antrags. Das, was daraus folgt, ist lediglich die Forderung nach einer steuerlichen Förderung von familiennahen Dienstleistungen. Soll das alles sein? Fällt uns nicht noch ein bisschen mehr dazu ein, Frauen mehr bezahlte Arbeit zu ermöglichen? Gucken wir doch mal, warum so viele Frauen in Teilzeit arbeiten oder auch in Teilzeit arbeiten müssen. Der erste Punkt: die völlig unfair verteilte Carearbeit. Noch immer leisten Frauen pro Woche neun Stunden mehr Carearbeit als Männer. Das sind neun Stunden unbezahlte Arbeit, die für die Erwerbstätigkeit fehlen. Besonders gravierend sind die Zahlen bei jungen Familien. Täglich investieren Frauen hier mehr als doppelt so viele Stunden wie Männer für Carearbeit. Dabei werden gerade in dieser Zeit wichtige Weichen für das gesamte weitere Arbeitsleben, aber eben auch für die Rente gestellt. Und was will die Union daran ändern? Im Antrag habe ich nichts gesehen. Zweiter Punkt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Wenn Frauen endlich für die gleiche Qualifikation und die gleiche Arbeit so bezahlt werden, wie es die Männer werden, dann werden sich die Unterschiede zwischen Teilzeit und Vollzeit eher ausgleichen. Und was findet sich im Unionsantrag dazu? Nichts. Dritter Punkt: die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Was will die Union? Stärkere steuerliche Berücksichtigung von Betreuungskosten. Das ist doch aber, ehrlich gesagt, Augenwischerei. Das hilft doch wieder nur denjenigen, die das entsprechend hohe Einkommen haben, von dem man dann auch diese Steuern abziehen kann. Und wo kommt überhaupt das Betreuungspersonal dafür her? Dazu habe ich keine Antwort gelesen. Vierter Punkt: die Schuldenbremse. Die Union hält an ihr fest wie ein Ertrinkender am Strohhalm, auch in unionsgeführten Bundesländern wie Hessen. Die dringend benötigten Investitionen auch auf kommunaler Ebene, zum Beispiel in den Ausbau der Kinderbetreuung, in generationenübergreifende und inklusive Wohnungsbauprojekte oder in Tagespflegeeinrichtungen in öffentlicher Hand, scheitern vielerorts an der Schuldenbremse. Eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen für diese wichtigen Vorhaben ist Aufgabe der Länder, denen mit der Schuldenbremse aber häufig die Hände gebunden sind. Die KfW hat aber jüngst festgestellt: Der kommunale Investitionsrückstand ist auf über 186 Milliarden Euro angewachsen. Diesen Rückstand spüren natürlich auch die Familien. Liebe Union, Investitionspolitik zu überdenken und beispielsweise die Schuldenbremse zu lockern, statt Gutverdienern Steuern zu erlassen, wäre doch mal etwas. Fünfter Punkt. Wenn wir schon mal beim Steuersystem sind, dann lassen Sie uns doch darüber reden, was wirklich helfen wird, um Frauen aus der ungewollten Teilzeit zu holen. Hiermit meine ich die Abschaffung der Steuerklassen III und V. Die Abschaffung der Steuerklassen III und V schafft nämlich Steuererleichterungen, und zwar für Ehefrauen. Endlich sind es dann nicht mehr sie, die die steuerliche Hauptlast zu tragen haben. Die Steuerklassenreform ist der perfekte Anreiz für Frauen, mehr arbeiten zu gehen und ihre Stunden nicht noch weiter zu reduzieren. Dann endlich sieht es auf ihren Lohnzetteln nicht mehr so aus, als würde sich ihre Arbeit nicht lohnen und als sei sie viel billiger als das Einkaufen haushaltsnaher Dienstleistungen. Liebe Union, wir werden das Gesetz zur Abschaffung der Steuerklassen III und V bald hier einbringen, und dann werden wir sehen, wie ernst es Ihnen damit ist, Frauen eine Wahlfreiheit zu ermöglichen. Denn Wahlfreiheit setzt Gleichberechtigung voraus, und die schaffen wir nur mit Equal Pay, mit Equal Care, mit einem Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten, einer Lockerung der Schuldenbremse und der Abschaffung der Steuerklassen III und V. Danke schön.