Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum wiederholten Male in dieser Wahlperiode debattieren wir heute das Thema Handelspolitik. Dieses Mal liegt kein gewöhnlicher Antrag vor; die CDU/CSU-Fraktion hat sich richtig Mühe gegeben und einen Gesetzentwurf geschrieben. Aber das Schema bleibt dasselbe wie bei all den Anträgen: Die Union ruft die Bundesregierung zur sofortigen Ratifizierung diverser Handelsabkommen auf und versucht, den Anschein zu erwecken, sowohl schriftlich als auch hier im Plenum mit hitzigen, emotionalen Wortbeiträgen und noch hitzigeren Zwischenrufen, dass die Bundesregierung, dass die Bundesrepublik Deutschland das Einzige ist, was zwischen der Europäischen Union und einer erfolgreichen globalen Handelsagenda steht. Sie tun so, als würde ganz Europa darauf warten, dass Deutschland doch bitte endlich seine Blockadehaltung und seinen Isolationismus aufgibt und den Weg für die Abkommen freimacht. Bei diesen Anträgen und dem Gesetzentwurf gilt: Das Bild, das Sie hier zeichnen wollen, entspricht nicht der Realität. Denn wir sehen – Kollege Töns hat es schon angesprochen –: Bei einem Großteil der Abkommen sind wesentliche Teile bereits in der vorläufigen Anwendung. Die gegenseitigen Handelsvorteile, Zollsenkungen und der Abbau von Handelsbarrieren sind bereits seit Jahren Praxis. Dem Handel steht also sehr viel weniger im Wege, als Sie behaupten. Das zeigen übrigens auch die Zahlen. Deutsche Direktinvestitionen sowie das Handelsvolumen von Importen und Exporten sind in den letzten Jahren – mit Ausnahme des Coronatiefs 2020/21 – kontinuierlich und stark gestiegen, vor allem mit Vietnam und Singapur. Mehr geht natürlich immer. Genau in dieser Mission sind der Bundeskanzler und auch der Wirtschaftsminister nonstop in der Welt unterwegs. Dass der Umgang mit diesen Handelsabkommen sich negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirkt, davon ist in den Zahlen nichts zu sehen. Worum es Ihnen hier ausschließlich geht, sind die Streitbeilegungsmechanismen. Dazu müssen wir feststellen: In ein paar der Abkommen, so alt sie sind, haben wir durchaus auch international schon längst überholte private Schiedsgerichte. Wir haben ja gerade bei CETA gezeigt, wie man moderne Handelsabkommen machen kann, die für alle funktionieren und die das Interesse der Stakeholder mit einbinden. Auf diese Errungenschaften sind wir zu Recht stolz. Hinter diese Standards zurückzufallen, ergibt im Sinne einer Gesamtfreihandelsstrategie sehr wenig Sinn. Bei ein paar Handelsabkommen haben wir natürlich auch noch größere Baustellen. Aber auch hier gilt: Eine Ratifizierung macht nur dann Sinn, wenn wir als Europäische Union gemeinsam voranschreiten. Solange es Mitgliedstaaten gibt, deren aktuelle Regierungen die Ratifizierung kategorisch ablehnen, wird uns ein alleiniges deutsches Vorpreschen recht wenig helfen. Ich möchte noch ein Thema ansprechen. Sie hatten auch den ganzen Komplex „Lieferkettenrichtlinie, Menschenrechtsschutz“ genannt. Ich glaube, Sie haben da eine völlig falsche Auffassung. Gerade diese Mechanismen sind doch die Dinge, die nachhaltige, resiliente Wirtschaftsbeziehungen mit sich bringen. Sie sind kein Hindernis, sondern eine wesentliche Stärke unserer Außenhandelspolitik. Lassen Sie uns gerne bei dieser Gelegenheit – Sonntag sind ja Europawahlen – auch noch mal über die europäische Ebene und Ihre CDU sprechen. Während Sie hier immer wieder versuchen, sich als die einzig wahren Kämpfer für globalen Freihandel und internationale Kooperation zu inszenieren, kokettiert Ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen offen mit einem Bündnis mit den Rechtspopulisten, um sich im Zweifelsfall in der Kommission, sei es um jeden Preis, ihre Macht zu sichern. Da sind Parteien dabei wie die sogenannten Wahren Finnen, die Finnland aus dem Schengenraum und der Eurozone führen wollen, die Partei des französischen Brexitfans Éric Zemmour, die spanische Partei Vox, die gemeinsam mit Trump-Unterstützern Veranstaltungen gegen die Globalisierung organisiert, Melonis Fratelli d’Italia, die polnische PiS und die Schwedendemokraten – alle vereint in ihrem Credo „Mein Land zuerst“. Wenn Sie tatsächlich Interesse an Freihandel haben, dann bitte ich Sie herzlich: Wirken Sie auf Ihre Parteifreundin in Europa ein, damit es nach der Europawahl im Europäischen Parlament überhaupt noch eine Koalition aus Parteien gibt, die Freihandel auch tatsächlich vorantreiben wollen! Das ist für die nächsten fünf Jahre viel entscheidender als jede Scheindebatte hier im Deutschen Bundestag. Und mehr noch: Während Sie hier immer wieder versuchen, sich als die Retter der deutschen Wirtschaft zu inszenieren, torpediert Ihr Parteifreund Manfred Weber in Straßburg und Brüssel seit Jahren die Vorhaben des European Green Deal und des „Fit for 55“-Projekts. Ihre eigene Partei macht seit Wochen Europawahlkampf mit dem Verbrennermotor. Dank der jahrelangen Blockade von Seehofer und Söder gibt es in Bayern immer noch keine Hochleistungsstromtrassen, die erneuerbare Energien zu den energieintensiven Unternehmen in Bayern bringen können. Während die USA und China Billionen von Euro an staatlichen und privaten Investitionen mobilisieren und gezielt in die E-Mobilität, in erneuerbare Energien und in Zukunftstechnologien investieren, betreibt die Union die Mund-zu-Mund-Beatmung bei den Technologien des 20. Jahrhunderts. Herr Kuban? Gerne. Vielen Dank, Herr Kuban, für die Zwischenfrage. – Ich glaube schon, dass man an der Stelle die Dinge unterscheiden muss. – Doch, natürlich. Es gibt Themen in der Europäischen Union und auch in dieser Welt, bei denen wir alle miteinander zusammenarbeiten müssen. Genauso wie wir in wesentlichen Fragen, beispielsweise beim Klima- und Umweltschutz, auch mit China zusammenarbeiten, das auch ein systemischer Rivale von uns ist, müssen wir auch in der Europäischen Union bei bestimmten Themen zusammenarbeiten. Es ist aber ein wesentlicher Unterschied, ob man bei Themen zusammenarbeitet, bei denen es zwingend notwendig ist, oder ob man vor einer Europawahl sagt, mit den Rechtspopulisten könne man ja auch ganz pragmatisch im großen Stil gemeinsam Politik machen und quasi auf europäischer Ebene in eine Koalition gehen. Das ist ein weltbewegender Unterschied. So kann man am Ende auch nur feststellen: Sie von der Union handeln nicht im langfristigen Interesse der deutschen Wirtschaft, sondern wenn, dann nur im Sinne kurzfristiger Profitinteressen einiger weniger Branchen und Unternehmen. Und das macht das, was Sie eigentlich von unserer Politik behaupten: Das schadet wirklich der Wirtschaft. Vielen Dank.