Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vor gut einem halben Jahr habe ich erstmals von „Kriegstüchtigkeit“ gesprochen. Mir war wichtig, dass wir uns gesamtgesellschaftlich mit dem Wert von Sicherheit auseinandersetzen und die neuen sicherheitspolitischen Realitäten ernst nehmen. Russlands brutaler und völkerrechtswidriger Krieg gegen die Ukraine ist ein Angriff auf den Frieden in Europa und in der Welt. Es ist ein Angriff auf die Freiheit und die internationale Ordnung. Putin – das müssen wir uns immer wieder klarmachen – erkennt die Integrität souveräner Staaten nicht an. Er missachtet international anerkannte Grenzen. Bei meinem Besuch in Odessa in der letzten Woche war der Krieg allgegenwärtig: zerstörte Wohnhäuser, Denkmäler mit Sandsäcken eingepackt, Raketenalarm, schwerverletzte Soldaten im dortigen Krankenhaus, mit denen ich sprechen konnte. Für Putin spielen diese menschlichen Schicksale keine Rolle. Er hat den Krieg begonnen, und er wird nicht aufhören. Die Luftangriffe auf die Ukraine – auch und zunehmend auf zivile Ziele – wurden noch einmal verstärkt. Russland hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt und rüstet weiter auf. Wir dürfen nicht glauben, dass Putin an den Grenzen der Ukraine, wenn er so weit kommt, haltmachen wird. Russland ist auch für Georgien, Moldawien und letztlich für die NATO eine Bedrohung. Deshalb müssen wir die Ukraine weiter unterstützen, meine Damen und Herren. Ein Einbruch unserer Unterstützung hätte fatale Folgen, unter anderem – aber nicht nur – für die ukrainische Luftabwehr. Mit der Lieferung eines dritten Patriot-Systems, aber auch mit der Initiative Immediate Action on Air Defence leistet Deutschland wichtige Beiträge. Aber es wird auch darüber hinaus unabweisbare Bedarfe geben. Jeder Euro zählt, meine Damen und Herren. Uns muss klar sein: Ein russischer Sieg käme uns alle am Ende teurer als unsere Unterstützung für die Ukraine heute. Gleichzeitig – das versteht sich von selbst – dürfen wir unsere eigene Verteidigungs- und Einsatzbereitschaft nicht vernachlässigen. Putins Kriegswirtschaft arbeitet auf einen weiteren Konflikt zu. Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein. Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt. Drei Themen sind dabei zentral: Personal, Material und Finanzen. Im Ernstfall brauchen wir wehrhafte junge Frauen und Männer, die dieses Land verteidigen können. Wir müssen durchhaltefähig und aufwuchsfähig sein. Ich bin überzeugt: Wir brauchen eine neue Form des Wehrdienstes. Hierzu werde ich zeitnah einen Vorschlag machen, den ich mit Ihnen und den Menschen im Land diskutieren will. Ich kann aber bereits sagen, dass ein solcher Wehrdienst nicht völlig frei von Pflichten – welcher Art auch immer – sein kann. Darüber hinaus ist es unsere Verantwortung, der Truppe die bestmögliche Ausrüstung für ihre Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Das Material, das wir bislang aus unserem Einzelplan und dem Sondervermögen beschaffen, war der erste wichtige Schritt, um die Bundeswehr auf den Stand zu bringen, den wir brauchen. Wir müssen in den Fähigkeitsaufbau und die Einsatzfähigkeit weiter investieren. 30 Jahre lang ist das nicht passiert. Wir brauchen Hauptwaffensysteme, Luftverteidigungssysteme, Munition, Einsatzunterstützung, vom Kampfpanzer bis zur mobilen Feldküche. Wir müssen daher in den nächsten Jahren weiter erheblich in unsere Bundeswehr investieren: nachhaltig, verlässlich und substanziell. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.