Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor: Sie sind Mitte 40, haben 20 Jahre lang als Koch, als Mechatronikerin oder im Einzelhandel gearbeitet. Mit dieser Arbeit ernähren Sie Ihre Familie und haben sich ein Leben aufgebaut. Trotz langjähriger Berufserfahrung wird aber nicht immer diesem Können entsprechend bezahlt. Das ist die Realität von vielen Menschen in unserem Land, ganz besonders leider im Niedriglohnsektor. In Deutschland arbeiten über 60 Prozent der Geringqualifizierten in einer Fachtätigkeit, obwohl sie leider – das muss man sagen – keinen Berufsabschluss besitzen. Nach einer langjährigen Berufstätigkeit heißt ein fehlender Abschluss aber nicht immer – wie beim Beispiel des Kochs –, dass Kenntnisse fehlen, sondern im Gegenteil. Oft hat man diese Kenntnisse, und die Arbeit, die diese Menschen leisten, ist unerlässlich. Vielleicht gab es für sie nie die Möglichkeit, eine Ausbildung abzuschließen. Nach der Schule wollte man direkt Geld verdienen oder musste es sogar, Kinder mussten betreut werden. Und mittlerweile sind leider die Verpflichtungen so groß, dass es unrealistisch ist, eine Ausbildung nachzuholen. Mit diesem Gesetzentwurf gibt es endlich eine Perspektive für diese Menschen. Wer einschlägige Berufserfahrung nachweisen kann, dem steht künftig der Weg in die Nachqualifizierung oder sogar in die externe Prüfung bundesweit offen. Wenn die Berufskompetenzen mit einer abgeschlossenen Ausbildung vergleichbar sind, dann öffnet sich auch der Zugang zur Fortbildung. Damit zeigen wir: Auch langjährige Berufserfahrung zahlt sich aus und wird in Deutschland geschätzt. Dadurch steigen schließlich auch die Löhne; denn gute Arbeit – das ist nicht nur unsere Überzeugung als Sozialdemokratie, sondern auch als Ampel – verdient immer Wertschätzung. Das Verfahren richtet sich ganz besonders an die Menschen, die keinen Berufsabschluss haben, aber lange in einem Beruf gearbeitet haben. Sobald sie das Anderthalbfache der für den Beruf vorgeschriebenen Ausbildungszeit in dem Beruf gearbeitet haben, können sie sich ihre Fähigkeiten bescheinigen lassen. Dabei orientiert sich das Verfahren – das ist wichtig – immer an den Qualitätsmaßstäben der dualen Berufsausbildung, an der auch nicht gerüttelt wird. Lebenslanges Lernen – das ist unser Versprechen. Dieses Versprechen müssen wir auch einhalten. Deutschland kann und soll Weiterbildungsnation sein; denn jeder soll bei uns die Chance haben, sich in jeder Lebenslage weiterzubilden. Aber es ist auch klar, dass damit die Arbeit nicht getan ist. Für Beschäftigte mit kleinem Geldbeutel braucht es zukünftig auch finanzielle Unterstützung, damit der Einstieg in die Verfahren möglich ist, damit wir möglichst viele Menschen für die Weiterqualifizierung gewinnen und Fachkräftemangel effektiv begegnen. Gleichzeitig muss klar sein: Wir bevorzugen immer den Weg in die Berufsausbildung, besonders für junge Menschen. Die duale Berufsausbildung ist eine deutsche Erfolgsgeschichte und muss deshalb auch geschützt werden. Das neue Validierungsverfahren muss sich eindeutig an Menschen über 25 richten, für die eine Ausbildung als Bildungsweg nicht mehr infrage kommt. Alle unter 25 sollen auf Ausbildung setzen und erst alle darüber sollen, wenn sie möchten, in dieses Validierungsverfahren einsteigen dürfen. Aus diesem Grund sind auch gute Beratungsangebote unumgänglich. Zum einen müssen junge Menschen bis 25 den Weg in die Ausbildung finden. Wir haben darüber schon beim Berufsbildungsbericht diskutiert. Zum anderen müssen Berufserfahrene auch wissen, welche Weiterbildungsmöglichkeiten ihnen offenstehen. Da haben wir noch richtig viel Nachholbedarf, gerade bei denjenigen, die es so dringend brauchen. Und deshalb – mit Blick auf junge Menschen – sage ich an dieser Stelle noch mal klar: Wir müssen auch die Jugendberufsagenturen vernünftig unterstützen, damit junge Menschen vor allem das tun, was sie tun sollen, nämlich eine Ausbildung machen. Trotzdem freue ich mich, dass das Validierungsverfahren auf den Weg gebracht wird, gerade für diejenigen, die die Ausbildung nicht mehr machen wollen oder können. Vielen Dank.