Vor allem repräsentiert das nicht die Realität. Mehr als 80 Prozent der Muslime in Deutschland halten die Demokratie für die beste Staatsform. Das entspricht den Zustimmungswerten innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ein bisschen fühle ich mich wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ihr Antrag wiederholt Positionen, die wir heute das xte-Mal austauschen. Sosehr ich Ihre guten Absichten auch teile, so irritiert mich doch das Resultat Ihres Antrags. Er zeigt Ihr schwieriges Verhältnis zu deutschen Musliminnen und Muslimen und riskiert weiter den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie machen den gleichen kommunikativen Fehler in der Ansprache der muslimischen Bevölkerung wie in Ihrem Grundsatzprogramm. – Dann lesen Sie mal Ihren Antrag! Sie knüpfen ihre Zugehörigkeit an Bedingungen, anders übrigens als bei Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften. Ihrem Antragstext nach ist die „kulturelle Vielfalt“ erst dann „ein Gewinn“ für die Gesellschaft, wenn sich Musliminnen und Muslime „friedlich“ und auf dem Boden des Grundgesetzes verhalten. Klingt erst mal schlüssig, Herr Frei. Was Sie aber nicht hören oder nicht hören wollen, ist das Vorurteil, das mitschwingt, nämlich dass alle Musliminnen und Muslime zunächst einmal unfriedlich seien und nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Ihre schwierige Haltung zum Islam zeigt sich auch in der fast inflationären Nutzung des Begriffs „politischer Islam“ – heute auch schon wieder. Zunächst: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Vertretung des politischen Christentums in Deutschland dieses Thema aufsetzt. – Dass Sie das nicht verstehen, wundert mich jetzt nicht. – Wenn man die Debatten verfolgt, ist der Begriff zu einem Kunstbegriff für Islamhasser geworden. Aufgrund seiner umstrittenen Definition stellt er eine „Projektionsfläche für Feindbilder und islamfeindliche Ängste“ dar und stellt Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht. – Und das sage nicht ich, Herr Merz, sondern eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Gipfel ist, dass Sie anscheinend selbst Schwierigkeiten haben, seine Bedeutung zu erfassen. – Hören Sie doch einfach zu! – Sie setzen ein Kalifat mit einem Terrorstaat gleich in Ihrem Antrag, und gleichzeitig war es die von Ihnen geführte Landesregierung in Hessen, die 2013 die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Gemeinde zur Körperschaft des öffentlichen Rechts erklärt hat – eine völlig auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Gemeinde, die einen Kalifen als geistliches Oberhaupt hat. Das haben Sie gemacht. Genau dieses Halbwissen und diese Unstimmigkeiten sorgen dafür, dass ich manchmal echt an Ihren sicherheits- und religionspolitischen Kompetenzen zweifeln muss. Statt vom politischen Islam sollten wir, wie die Fachwelt, von „legalistischem Islamismus“ sprechen; denn genau darum geht es. – Bei Ihnen vielleicht. – Sie sehen, ich musste erst einmal einiges aufräumen mit Blick auf Ihren vorliegenden Antrag, bevor wir uns nun endlich, endlich über das eigentliche Problem austauschen können: die große Gefahr des Islamismus für uns alle. Lassen wir uns davon nicht täuschen, dass Islamisten auf perfide Art und Weise versuchen, unsere Werte umzudrehen. Bei ihrer Demo in Hamburg sprachen sie von „Zensur“ und „Meinungsdiktatur“, weil es etwa untersagt war, zu Hass und Gewalt aufzurufen. Sie griffen das reale Problem der Islamfeindlichkeit auf, um es für ihre radikale Agenda zu instrumentalisieren – mit dem schlimmen Effekt, dass so das Narrativ der Islamhasser und Rechtspopulisten wie auch hier der AfD bedient wird, wonach Islamfeindlichkeit nur eine Erfindung von Islamisten sei. Wenn diese Demonstranten damit etwas bewirkt haben, dann das, nämlich das Leben von Musliminnen und Muslimen in diesem Land zu erschweren. Als Muslimin rufe ich diesen Menschen, die auf diese Demos gehen, durchaus entgegen: Wer in einem Kalifat leben will, der kann nach Afghanistan zu den Taliban, der kann nach Syrien zum HTS, der darf meinetwegen auch gern in irgendeinen anderen Gottesstaat oder gar zum IS gehen. Aber hier ist kein Platz für irgendein Kalifat. Die neue Generation von Islamisten weiß sehr gut auf der Klaviatur westlicher Ideen zu spielen. Was wir in Hamburg erlebt haben, ist ein gutes Beispiel für den legalistischen Islamismus. Man gibt vor, sich an die Gesetze des Landes zu halten, aber eben nur bis zur Machterlangung. Und dann wird der Staatsumbau im Sinne ihres fundamentalistischen Verständnisses der Scharia vorangetrieben. Bund und Länder müssen gegen die Strukturen mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgehen, auch mit Verboten; daraus machen wir kein Geheimnis. Ein IZH oder „Muslim Interaktiv“ oder auch andere Plattformen sind eine echte Bedrohung für unser Land. Um extremistische Haltungen zu bekämpfen, braucht es also das Durchgreifen der Behörden. Um sie aber auch aus den Köpfen zu kriegen, muss Prävention und Deradikalisierung her. Hierzu ist das Demokratiefördergesetz nötig; denn diese Arbeit gehört finanziell abgesichert. Wer eine politische Ideologie bekämpfen will, muss auch die Geschichte erzählen, dass die große Mehrheit der Muslime ebenfalls vor dem Islamismus beschützt werden muss. Und das passiert bei Ihnen kaum. Ich möchte einmal aus dieser unsäglichen Rede eines dieser Prediger aus Hamburg zitieren. Dann merken Sie vielleicht, worum es eigentlich geht. Ich zitiere – es sind ausdrücklich nicht meine Worte –: – Achtung! – Genau darum geht es. Und genau das sprechen Sie nicht an. Sie sind eine Gefahr für Muslime. Vielen Dank.