Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwangsvollstreckungsrecht zu vorgerückter Stunde Teil zwei. Nach dem Spezialproblem der missbräuchlichen Ersteigerung von Schrottimmobilien jetzt das angekündigte bunte Potpourri mit Examensrelevanz. Jede Art der Zwangsvollstreckung ist an bestimmte Grundvoraussetzungen geknüpft: Erstens müssen die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sein, sprich: Der Gläubiger muss einen zulässigen Vollstreckungsantrag gegen den Schuldner beim zuständigen Vollstreckungsorgan stellen, also etwa beim Gerichtsvollzieher oder beim Vollstreckungsgericht. Zweitens müssen auch die drei allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen, also kurz gesagt: Titel, Klausel, Zustellung. Beim Zusammenspiel dieser beiden Voraussetzungen setzt der Kern des Gesetzentwurfs zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung an. Den Vollstreckungsantrag – wir haben das eben gehört – müssen Anwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts nämlich seit 2022 elektronisch einreichen. Die Klausel, also die vollstreckbare Ausfertigung, wird dagegen ausschließlich in Papierform erteilt und muss dem Vollstreckungsorgan dementsprechend auch in Papierform nachgewiesen werden. Das führt zu einem Medienbruch, und dieser Medienbruch führt zu einer hohen Anzahl hybrider Vollstreckungsanträge aus elektronischem Antrag und analogem Nachweis der vollstreckbaren Ausfertigung. Der Gesetzentwurf reagiert darauf. Er erlaubt es dem Vollstreckungsorgan, künftig auch eine elektronische Kopie der vollstreckbaren Ausfertigung zu übermitteln. Das ist gut, kann aber auch nur eine Übergangslösung sein. Denn richtigerweise muss man sich hier fragen, warum der Gesetzentwurf es nicht ermöglicht, künftig die vollstreckbare Ausfertigung selbst elektronisch zu erteilen. Das könnte ein bundesweites elektronisches oder gar Blockchain-basiertes Zwangsvollstreckungsregister möglich machen; wir haben es eben gehört. Die Vorschläge dafür sind bekannt, und die Grundlagen dafür sind gelegt. Ein solches Register würde auch mehr Rechtssicherheit und weniger Missbrauchsanfälligkeit garantieren, weil der Gläubiger bei der jetzt vorgeschlagenen Lösung im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung bleibt und damit eine weitere Zwangsvollstreckung betreiben kann. Der Gesetzentwurf traut sich aber dennoch nicht daran, den Grundstein für ein solches Register zu legen. Sie haben eben wieder nur gesagt, Herr Staatssekretär Strasser, Sie streben es an. Der Gesetzentwurf beschränkt sich stattdessen darauf, wie der Deutsche EDV-Gerichtstag zutreffend schreibt, „nur einzelne Schritte eines im Wesentlichen unveränderten analogen Ablaufs“ zu digitalisieren. Eine digitale Zwangsvollstreckung bringt er damit gerade nicht, und er ist schon gar kein Meilenstein auf dem Weg dahin, Herr Staatssekretär Strasser. Die weiteren Regelungen knüpfen im Wesentlichen daran an. So wird der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern erweitert. Das ist gut, aber gleichzeitig wenig ambitioniert. Daneben werden die Regelungen zu den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und dem Nachweis von Vollmachten im Zwangsvollstreckungsverfahren neu geordnet. Auch das ist gut, aber weder ein inhaltlicher noch ein wirklicher digitaler Fortschritt. Im Ergebnis verheißt der Gesetzentwurf damit mehr Digitalisierung in der Zwangsvollstreckung, als er tatsächlich enthält. Eine wirkliche digitale Innovation sieht anders aus. Im parlamentarischen Verfahren bleibt damit viel Potenzial für eine digitalere Zwangsvollstreckung. Wir werden das deshalb gerne wohlwollend beraten. Die weiteren zwei Minuten schenke ich Ihnen und wünsche Ihnen eine gute und geruhsame Nacht.