Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt ist kein Mittel demokratischer Auseinandersetzung, egal aus welchem Spektrum, egal von wem. Das Mordattentat auf den slowakischen Premierminister Fico erschüttert uns alle. Auch von uns die besten Genesungswünsche! In den letzten Wochen häuften sich Angriffe auf Politikerinnen und Politiker hierzulande; neu ist die Bedrohung aber nicht. Wer jetzt noch Weckrufe fordert, hat jahrelang geschlafen. Die Ermordung von Walter Lübcke ist fünf Jahre her, der Messerangriff auf Henriette Reker neun. Aus Worten wurden Taten. Beleidigungen gegen Ehrenamtliche, gegen Vereinsvertreter, körperliche Angriffe auf Rettungskräfte, Polizei, Feuerwehr, Morddrohungen gegen Journalistinnen und Kommunalpolitiker, Belagerung von Spitzenpolitikerinnen und -politikern sind Ausdruck einer Verrohung gesellschaftlicher Ränder, einer Radikalisierung einzelner Gruppen. Das können und werden wir nicht dulden. Was hinter den Statistiken verschwindet: Es geht um konkrete Schicksale angegriffener Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen oder für uns als Gesellschaft ihren Dienst tun. In einer Woche feiern wir den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes. Es ist Wertekompass, Freiheitsgarantie und unsere Hausordnung für respektvolles Zusammenleben. Es gilt ohne Abstriche. Der Staat und die Gesellschaft – das sind wir alle. Wir müssen uns gemeinsam als wehrhaft erweisen – tagtäglich. Wer Politikerinnen und Politiker zu Feindbildern, Sündenböcken oder Freiwild erklärt, tickt autoritär, antidemokratisch, extremistisch. Gegen Verrohung, Radikalisierung und Gewaltbereitschaft braucht es ein knallhartes Stoppschild, gesellschaftlich und politisch. Die Innenministerinnen und Innenminister müssen wirksame Maßnahmen auf den Weg bringen, um Ehrenamtliche und Wahlkämpfende besser zu schützen. Plakate aufhängen, Infostände machen und Veranstaltungen gehören zum fairen Wettbewerb in freien Wahlen und Wahlkämpfen. Niemand, der sich demokratisch engagiert, darf sich bedroht fühlen – im Netz nicht und im öffentlichen Raum nicht. Deshalb sind die volle Härte und Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats gefordert. Wir brauchen stärker sensibilisierte Sicherheitsbehörden und eine Justiz, die in die Lage versetzt wird, Täter schneller und konsequenter zu verurteilen. Bei zugespitzter Bedrohungslage, finde ich, brauchen auch Kommunalpolitiker/-innen Personenschutz. Länger andauernde Auskunftssperren müssen jetzt kommen. Das sind kleine Schritte, aber ein großer Sicherheitsgewinn. Wenn sich der Hass wie in den letzten Wochen gegen Politikerinnen und Politiker entlädt, die Rolf, Matthias, Yvonne, Katrin, Petra oder Kai heißen, dann muss uns allen klar sein: Es kann jeden und jede treffen. Allen muss aber genauso klar sein: Diejenigen, die weiblich, migrantisch oder queer gelesen werden, die einer Minderheit angehören, erleiden Herabwürdigungen und Bedrohungen noch häufiger und hemmungsloser. Auch dafür müssen Sicherheitsbehörden stärker sensibilisiert werden. Als Mitglieder des Bundestages sollten wir alle stets der Würde des Hohen Hauses gerecht werden. Darum lassen Sie uns streiten – hart in der Sache, aber menschlich in Sound und Umgang, mit Anspruch und Anstand, nicht mit NSDAP-Vokabeln und Diffamierungen. Streiten als deutsche Abgeordnete, die deutsche und europäische Interessen vertreten, nicht russische oder chinesische. Ich bin sicher: Unsere politische Kultur und die demokratische Mehrheit sind viel stärker als alle Rechtsextremen, Linksextremen, Islamisten und Radikalen, als alle Feinde der Demokratie zusammen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein langjähriger lokalpolitischer Weggefährte Rolf Fliß und ich wurden allein deshalb attackiert, weil wir grüne Politiker sind. Das sollte allen hier zu denken geben. Überwältigend war die Solidaritätswelle danach, die uns erreicht hat. Dafür bedanke ich mich auch hier ausdrücklich; denn das macht Mut und spornt an. Die Demonstrationen für unsere Demokratie und gegen Neofaschismus vor wenigen Wochen sind die bislang größte Protestwelle, die es in unserem Land bisher gegeben hat, Protest mit klaren Botschaften: Wir Demokratinnen und Demokraten lassen uns nicht einschüchtern. Wir sind mehr, wir sind wehrhaft, und jetzt erst recht.