Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Grundgesetz sollte ein liberales, demokratisches Deutschland begründen, in dem sich keiner mehr anmaßt, freie Meinungen zu unterdrücken oder Grundrechte willkürlich einzuschränken, ein gerechtes Land, in dem Eigentum verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit dient, ein friedliebendes Deutschland, das sich nie wieder an Kriegen beteiligt. Wie viel ist von diesem Anspruch noch übrig? Etwa vom Friedensgebot, wenn heute das Werben für diplomatische Konfliktlösung schon als unmoralisch gilt und CDU-Politiker offen fordern, wieder mal einen Krieg mit deutschen Waffen nach Russland zu tragen? Was ist aus dem Aufstiegsversprechen geworden, wenn Wohlstand wieder vom Elternhaus abhängt, 8 Millionen Menschen in unserem Land für Löhne unter 14 Euro arbeiten und Schulen an der elementaren Aufgabe scheitern, allen Kindern wenigstens halbwegs korrekt Lesen, Rechnen und Schreiben beizubringen? Wie sozial ist ein Staat, der immer mehr alte Menschen in die Armut schickt? Und ist das noch eine faire Marktwirtschaft, wenn kleine und mittlere Betriebe unter Druck stehen und die 40 größten Unternehmen mitten in der Krise mehr Dividenden ausschütten als je zuvor? Ist das noch eine liberale Demokratie, wenn eine Mehrheit inzwischen Sorge hat, frei ihre Meinung zu äußern, und der Mehrheitswille, sei es bei Migration, bei Rente oder bei Energie, für die Regierung offenbar völlig belanglos ist, wenn unter dem Schutz der Verfassung radikale Islamisten Kalifat und Scharia fordern, während normale Bürger von grün-autoritären Politikern belehrt werden, dass sie falsch leben, falsch essen, falsch sprechen und das falsche Auto fahren? 75 Jahre Grundgesetz ist weniger ein Tag für Feiern in elitären Kreisen, sondern es sollte uns eine Mahnung sein, dem Respekt vor der Meinungsvielfalt und dem Sozialstaats- und Friedensgebot unserer Verfassung wieder Rechnung zu tragen. Vielen Dank.