Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, wir akzeptieren die Entschuldigung, dass der Wirtschaftsminister gerade im Bundesrat ist. Aber es gibt keine Entschuldigung dafür, dass der Klimaminister dieses Gesetz mitträgt. Es ist ein Rückschritt für den Klimaschutz. Es ist die Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Sie machen es zu einem Papiertiger. Statt ihren Pflichten zu entsprechen, stellt sich die Ampel selbst einen Freibrief aus. Es geht in die falsche Richtung. Wir halten Ihnen deshalb sehr klar entgegen: Es ist die Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Das, was Sie machen, ist: Sie nehmen ihm die Verbindlichkeit. Frau Kollegin, Sie haben gerade die Position der Grünen dargestellt. Als das Klimaschutzgesetz von der Großen Koalition beschlossen wurde, haben die Grünen es hart kritisiert – ich spreche gerade mit Ihnen, Frau Dröge! – und gesagt, es sei zu lasch, es sei zu unverbindlich. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Sie als Grüne der Entkernung, der Aufweichung dieses Gesetzes zustimmen. Und noch mehr hätte mir die Fantasie gefehlt, dass Sie das hier auch noch schönreden. Da sind Sie auf dem falschen Dampfer. Was Sie da machen, das ist in der Sache ein Verstoß gegen das Gebot der Nachhaltigkeit, weil Dinge in die Zukunft verschoben werden. Das ist verfassungsrechtlich problematisch. Das Bundesverfassungsgericht hat klargemacht: Bei verbindlichem Klimaschutz heute geht es auch um die Freiheitsrechte der künftigen Generationen. Und es ist europarechtlich nicht kompatibel; denn so, wie Sie es jetzt machen, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach Brüssel. Angesichts knapper Kassen, Herr Dürr, ist es doch besser, Geld in Klimaschutz zu investieren, statt Strafzahlungen nach Brüssel zu leisten. Das aber riskieren Sie, Herr Dürr. Ja, ich erlaube sie gleich, aber zuvor möchte ich auf den Zwischenruf des Kollegen Dürr eingehen. Der Kollege Dürr beschreibt gerade sein Scheitern und insbesondere das des Verkehrsministers und sagt, das sei Planwirtschaft. Herr Dürr, schauen Sie bitte in das aktuell geltende Gesetz. Eine Flexibilität zwischen den Sektoren gibt es auch schon im aktuell geltenden Gesetz, aber Flexibilität mit Verbindlichkeit. Im Gesetz steht: Wenn ein Minister wie Volker Wissing das Ziel im Verkehrsbereich nicht erfüllt und sich da eine Lücke auftut, dann ist er verpflichtet, zusätzliche Maßnahmen vorzulegen. Wenn er sagt, das gehe aber nicht, er schaffe das so kurzfristig nicht, was würde dann passieren? – Dann drohen keine Fahrverbote. Nein, so etwas hat nie gedroht. Das ist ein Popanz, den Sie, Herr Wissing und Christian Lindner aufgebaut haben, um Druck auszuüben. Nie haben Fahrverbote gedroht. – Herr Dürr, hören Sie einen Moment zu. Die Regelung in dem oben beschriebenen Fall ist ganz einfach: In diesem Fall muss Herr Wissing etwas vorlegen. Und wenn er sagt, er kann das nicht, dann müssen Sie als Regierung beraten und können dann sagen: Oh, wir haben aber einen anderen Bereich, zum Beispiel den Bereich Gebäude, da kann viel mehr gemacht werden. Diese Flexibilität bringt das Klimaschutzgesetz schon heute mit. Es mangelt aber in der Regel an einem Tauschpartner, und es hat ja auch Ihnen an der Kraft gefehlt, in einem anderen Bereich mehr zu machen. Sprich: Flexibilität gibt es schon heute. Was Sie aber abschaffen, ist die Gesamtverbindlichkeit. Das war die Errungenschaft des Klimaschutzgesetzes. Wenn sich eine Lücke aufgetan hat, dann hat sich daraus die Pflicht ergeben, sofort nachzusteuern – nicht mit Maßnahmen, die über Nacht wirken, aber es musste sofort etwas vorgelegt werden. Dagegen wehren Sie sich kontinuierlich seit Monaten und mittlerweile seit Jahren. Jetzt wollen Sie, anstatt diese Pflicht zu erfüllen, die Nachsteuerungspflicht wegnehmen. Sie stellen sich als Ampel einen Freibrief aus. Wenn das heute so beschlossen wird, wie es beabsichtigt ist, dann ist klar: Die Ampel wird durch das Klimaschutzgesetz in dieser Legislaturperiode zu nichts mehr verpflichtet. Das ist dann das Ding der nächsten Regierung. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit; das ist der falsche Weg. Und das ist der Punkt unserer Kritik. Entschuldigung. – Ich sage noch eines, weil der Kollege Dürr noch mal nachgefragt hat. Zur Zwischenfrage. – Herr Dürr, ich komme auf Sie noch zurück. Ja. – Beide. Unbedingt. Gerne auch in umgekehrter Reihenfolge. Herr Kollege Banaszak, was Sie beschließen, ist erstens ganz klar eine Verschlechterung und keine Verbesserung. Das haben Ihnen ja auch alle Sachverständigen in den Anhörungen und in der Öffentlichkeit gesagt. Es ist eine Verschlechterung. Zweitens. Sie müssen bei den Tatsachen bleiben. Das Klimaschutzgesetz wurde nicht unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichts gemacht, sondern es wurde unter dem Eindruck der Situation im Jahr 2019 gemacht, und zwar nach langem Ringen auch in meiner Partei. Und es hat niemand behauptet, dass die Union Vorkämpfer für das Klimaschutzgesetz war; das hat niemand behauptet. Auch wir brauchten den Anstoß durch die Situation im Jahr 2019. Wir als Umweltpolitiker unterschiedlicher Parteien haben uns lange für solch ein Gesetz eingesetzt. Eine Verabschiedung ist unter dem Eindruck der Situation 2019 möglich geworden, weil sich eine Klimalücke aufgetan hatte und wir keine gute Erklärung hatten, wie wir die schnell mit Maßnahmen schließen können. Deswegen haben wir uns entschieden, zwei Dinge zu machen: Zusätzliche Maßnahmen wie eine CO2-Bepreisung, Frau Dröge, wie Gebäudesanierung und andere Dinge sind auf den Weg gebracht worden. Zusätzlich haben wir gesagt: Wir brauchen einen Mechanismus, damit so etwas nicht mehr passiert. Dazu haben wir das Klimaschutzgesetz formuliert. Dann haben wir unter diesem Eindruck diesen wichtigen Schritt gemacht, den sie jetzt zurückdrehen wollen. Dann kam das Bundesverfassungsgericht, hat sich diesen Mechanismus angeschaut und – da lohnt sich der genaue Blick – gesagt, dass der Mechanismus bis 2030 so gut sei, aber für die Zeit danach noch mehr Verbindlichkeit gebraucht werde. Über das ursprüngliche Gesetz hinaus hat man dann Jahresziele auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 festgeschrieben. Aber bis 2030 bringt der genannte Mechanismus die Verbindlichkeit, die notwendig ist, um Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen. Und genau das schaffen Sie jetzt ab. Und das ist unsere Kritik. Wenn Sie für die FDP sprechen, lieber Herr Kubicki, spreche ich für die Union! Keine Sorge! Herr Kubicki, ich sage es noch mal: Wir halten die Betrachtungsweise, von Sektoren auszugehen, für richtig. Sie behaupten ja in Ihrem Hintergrundpapier, dass man dabei auch bleiben würde. Das heißt, Sie sprechen jetzt gegen Ihre eigene Position, wenn Sie gar keine Sektorziele mehr aufschreiben wollen. Da mag es Abgrenzungsprobleme geben; sie haben diese in Ihren Fragen angesprochen. Aber im Grunde genommen ist klar, von Experten errechnet, was welchem Sektor zufällt. Wenn auf der Straße etwas transportiert wird, dann fällt es dem Verkehrsbereich zu. Da mag es Abgrenzungsfragen geben, aber das ist nicht die Kernfrage. Die Kernfrage ist, ob man von einer entsprechenden Verbindlichkeit pro Sektor ausgeht und ob man dann, wenn Ziele nicht erreicht werden, offen dafür ist – was wir immer waren –, dass dann in einem anderen Bereich – Sie haben einige Sektoren angesprochen – mehr getan werden kann. Deswegen noch einmal: Das jetzige Gesetz sieht Flexibilität vor. Aber Sie wollen die Verbindlichkeit abschaffen. Ich sage Ihnen mal, was Sie machen wollen. Sie sagen, es sei alles super und Sie hätten im letzten Jahr das Klimaziel erreicht. Aber, Kollege Kubicki, Sie haben das Klimaziel im letzten Jahr erreicht, obwohl Sie es beim Verkehr nicht erreicht haben und wohl auch nicht beim Bau, aus zwei Gründen: milder Winter und schlechte Wirtschaft. Das heißt, wenn Sie sagen: „Ist doch alles prima! So machen wir weiter“, dann ist doch Ihr Ziel, dass die Wirtschaftslage schlecht bleibt, damit es keine Nachfrage gibt und kein CO2 ausgestoßen wird. Das kann doch nicht die Wirtschaftspolitik der FDP sein! Kollege Dürr, Herr Kubicki, wir wollen doch Klimaschutz auch dann erreichen, wenn unsere Wirtschaft wieder brummt. Deshalb führen wir doch die Debatten. Wir haben gerade wahrgenommen, dass wir uns bei ganz vielem einig sind. Sie können es nur in der Koalition nicht durchsetzen. Deshalb: Wir setzen auf pragmatischen Klimaschutz. Wir setzen auf Effizienz, aber eben auch auf Verbindlichkeit. Und was Sie machen, ist, dem Klimaschutzgesetz das Herzstück zu entreißen. Das ist das Kernstück unserer Kritik. Jetzt komme ich zum Verkehrsbereich. Noch einmal: Es haben nie Fahrverbote gedroht. Das ist ein Popanz, den Sie aufgebaut haben, um Druck auszuüben. Aber, Herr Minister Wissing, was Sie schon nach dem Gesetz hätten machen müssen, wäre gewesen, Sofortmaßnahmen vorzulegen – nicht welche, die über Nacht greifen, aber die etwas bringen. Da ist Kreativität gefragt. Sie hätten was tun können, Herr Dürr, für Biokraftstoffe. Sie hätten was tun können für Ladeinfrastruktur von Elektromobilität. Sie hätten was tun können für klimafreundliche Lkws. Sie hätten was tun können für klimafreundliche Schifffahrt. Das heißt doch, Ihre Entscheidung, was Sie machen – dass Sie was machen müssen, ist gesetzliche Pflicht! – können Sie selber in Ihrer Koalition beraten. Was machen Sie stattdessen? In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wird die Umweltprämie beim Elektroauto abgeschafft, Sie kürzen die Gelder für die Batterieforschung um 75 Prozent und setzen den Rotstift bei der Bahn an – keine Stärkung der Schiene, sondern eine Schwächung der Schiene. Es geht bei Ihnen in die falsche Richtung. Letzte Bemerkung. Ja, wir sind der Auffassung, dass die Ziele technologieoffen erreicht werden müssen. Da haben wir in der Tat eine Diskrepanz mit Ihnen von den Grünen, so wie Sie es beschrieben haben. – Es ist doch gerade beschrieben worden, dass es diese Koalition gewesen wäre, die das Verbrennerverbot in Europa durchgesetzt hat. Hat doch Ihre Kollegin von den Grünen gerade gesagt. Wir setzen auf Technologieoffenheit, ob es bei der Heizung ist oder beim Autofahren. Am Ende kommt es darauf an, was an CO2 ausgestoßen wird. Und dafür müssen Sie die richtigen Maßnahmen auf den Weg bringen. Aber was tun Sie? Sie haben den falschen Ansatz gewählt beim Heizungsgesetz. Sie verspielen Vertrauen, weil Sie Klimageld versprechen und das Geld dann anders einsetzen. Und heute verspielen Sie Ihre Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz: durch diesen Rückschritt beim Klimaschutz, durch die Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Stimmen Sie dagegen! Herzlichen Dank.