Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bologna-Prozess ist im Wesentlichen der Versuch einer gesamteuropäischen Vereinheitlichung, Normierung und Bürokratisierung der Hochschulbildung, also das genaue Gegenteil der Vielfalt und Freiheit, die Sie immer wie eine Monstranz vor sich hertragen. In den vergangenen 25 Jahren wurde die Vielfalt der europäischen Bildungstraditionen immer weiter planiert. Die Humboldt’sche Universität mit der Einheit von Lehre und Forschung, dem Ideal humanistischer Bildung wurde durch das Leitbild einer verschulten, technokratischen Wissensfabrik ersetzt, Herr Gehring. Die Substanz der europäischen Hochschulen ist durch den Bologna-Prozess gefährdet. – Das schreibt kein Geringerer als Julian Nida-Rümelin. Und Sie alle als wechselnde Regierungsparteien seither sind dafür verantwortlich. Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse und eine höhere Mobilität zwischen den europäischen Hochschulen wollte man erreichen. Beides ist durch Bologna nicht erfunden worden, und die Verbesserungen sind äußerst bescheiden. Und zu welchem Preis? Die Abschaffung des international hochangesehenen deutschen Diplom-Ingenieurs, des Magisters – völlig ohne Not –, die Einführung stattdessen der Bachelor- und Masterstudiengänge, die Modularisierung des Studiums und die Fixierung auf die ECTS-Leistungspunkte haben die Studenten zu einem verschulten Punktesammeln erzogen. Eigenständige Wahrheitssuche wird eher bestraft als belohnt. Der Konformitätsdruck ist heute enorm an deutschen Hochschulen. Darüber kann auch das Wissenschaftsjahr „Freiheit“ nicht hinwegtäuschen. Und dieser Konformitätsdruck wird noch dadurch verstärkt, dass 80 Prozent der Wissenschaftler in Deutschland befristet beschäftigt sind. Sie sind abhängig von Drittmitteln, die die Universitäten seit Bologna verstärkt einwerben müssen, weil ihre Grundfinanzierung zurückgefahren wurde. Und wer zahlt, schafft an, meine Damen und Herren. Zu einem großen Teil ist das der Staat mit seinen Leitideologien: menschengemachter Klimawandel, Diversität, Gender usw. Junge Wissenschaftler, die zum Beispiel über die natürlichen Faktoren des Klimawandels forschen wollen oder die den Gesslerhut des Genderdogmas nicht grüßen, können ihre Karriere gleich knicken; sie werden erst gar keine entsprechenden Forschungsanträge stellen. Das Ergebnis ist ein der Politik willfährig zulieferndes Wissenschaftssystem, wie wir in der Coronazeit bitter erfahren mussten und wie es spätestens die RKI-Files ans Licht gebracht haben. Auf politischen Druck hin hat das Robert-Koch-Institut über Daten und Fakten großzügig hinweggesehen und die absurden und schädlichen Coronamaßnahmen mit den Weihen der Wissenschaft versehen. Das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Wir werden im Anschluss noch darüber debattieren. Unsere Alarmglocken gehen an, wenn im Bericht der Bundesregierung von „gemeinsamen Werten“ die Rede ist, die das „Fundament der Zusammenarbeit“ im Europäischen Hochschulraum bilden sollen und die jetzt an den Hochschulen vermehrt überprüft werden sollen. Ich erinnere daran, dass eine junge Forscherin einen Vortrag über die biologische Zweigeschlechtlichkeit an der Humboldt-Uni Berlin nicht halten durfte, weil dieser angeblich den Werten der Universität widerspreche. Diese Werteorientierung erzeugt Gesinnung statt Wissenschaft, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das ist hochgefährlich, werte Kollegen. Lesen Sie es bei Professor Nida-Rümelin: Das gilt genauso auch für die angeblichen Werte der Demokratie. Der Kampf gegen rechts im Namen der Wissenschaft, den die Präsidentin der TU Berlin jetzt ausruft, während dort die Hörsäle verfallen und das Niveau immer weiter absinkt, untergräbt die Wissenschaft als überparteiliche Instanz. Ich komme zum Schluss. Was wir brauchen, ist eine Reform der Bologna-Reform: Weg von Verschulung und Bürokratie und EU-Kontrolle, stattdessen Humboldt für das 21. Jahrhundert! Vielen Dank.