Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner letzten Rede zum Thema habe hier ich darum gebeten, den Gesetzentwurf auf die Seite zu legen und noch mal eine breite gesellschaftliche Debatte zu führen. Das ist, wie zu erwarten war, nicht geschehen. Stattdessen stellen Sie Ihre Ideologie wieder einmal über einen vernünftigen Konsens. Sie wollen eine laute, aber sehr kleine Gruppe zufriedenstellen und spalten so die Gesellschaft. Sie gefährden die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie verpflichten Menschen, gegen ihre eigene Wahrnehmung Aussagen zu bestätigen, und ermöglichen Kriminellen, unterzutauchen. Sie nehmen sich der wirklich Betroffenen nicht an und ignorieren die berechtigten Bedenken vieler Frauen und Mädchen. Eltern sollen für ihre Kinder bis 14 Jahre einen Namens- und Geschlechtseintragswechsel beantragen können. Der Kritik, das geschehe ohne Einbeziehung der Kinder, begegnen Sie damit, dass Kinder ab fünf Jahren diesem Wechsel zustimmen müssen. Ein Kind im Alter von fünf Jahren ist nicht in der Lage, die Tragweite einer solchen Entscheidung für sein Leben zu überblicken. Kinder wollen in diesem Alter ihren Eltern gefallen. Der Entwurf sieht auch entgegen Ihren Beteuerungen keine verpflichtende Beratung für die Kinder und Jugendlichen vor, sondern lediglich eine Erklärung, dass der Antragsteller beraten worden ist. Es ist offensichtlich, dass diese Regelung nur als Feigenblatt dienen soll. Sie verlangen keinen Nachweis darüber, ob eine Beratung tatsächlich erfolgt ist. Wie die Beratung aussehen soll, geben Sie nicht vor. Das kann ein Gespräch mit einer Peergroup sein, die eher informiert als ergebnisoffen berät. Dies wird der schwierigen Situation der Eltern und Kinder nicht gerecht. Mit dieser Regelung will man sich nun die Zustimmung der Kolleginnen und Kollegen der Ampel sichern, die Bedenken zum Kinder- und Jugendschutz geäußert haben. Ich hoffe, sie fallen auf dieses Manöver nicht herein. Das Offenbarungsverbot – also das Verbot, den ursprünglichen Namen und den Geschlechtseintrag zu nennen, das bisher nur für Behörden galt – wird nun auf den privaten Bereich ausgedehnt und mit einem Bußgeld belegt. Das gilt in Fällen mit Schädigungsabsicht nun auch für den engsten Familienkreis. Verstehen Sie mich nicht falsch: Für mich gebietet es der Respekt, dass ich einen Menschen so anspreche, wie er oder sie es sich wünscht. Aber daraus eine gesetzliche Verpflichtung abzuleiten, dies auch gegen die eigene Wahrnehmung zu tun, ist mehr als übergriffig. Diffamierungen und Beleidigungen gegenüber Transsexuellen gibt es – leider –, genauso wie ausreichende Mittel im Strafrecht, dagegen vorzugehen. Weiter birgt der vorliegende Entwurf eine Sicherheitslücke: Die neuen Vornamen und Geschlechtseinträge werden nun nicht mehr an die Sicherheitsbehörden übermittelt, damit unter anderem Fahndungslisten aktualisiert werden könnten. Kriminelle werden das ausnutzen und mit diesem Trick Kontrollen entwischen oder Deutschland unerkannt verlassen. Diese Sicherheitslücke, die Sie ja selber sehen – sonst würden Sie den Entschließungsantrag auch nicht einbringen –, wird nach Ihrer Aussage erst zum Ende des Jahres geschlossen. Bei Ihrem „Deutschlandtempo“ wird das zum einen nicht eintreten, und die ersten Namensänderungen sind zum anderen schon zum 1. November möglich. Weiter ignorieren Sie die berechtigten Bedenken vieler Frauen. Der Zugang zu Frauenschutzräumen durch Männer, die sich missbräuchlich als Frauen identifizieren, bleibt ungeregelt. Frauen und Mädchen werden sich in letzter Konsequenz aus diesen Schutzräumen zurückziehen. Und wenn Sie, Herr Lehmann, sagen, dass dies ein feministisches Gesetz ist, dann sage ich Ihnen: Gehen Sie vor die Tür auf die Wiese vorm Bundestag! Da stehen die Feministinnen und demonstrieren, und zwar dagegen! Die Diskussionen zu diesem Thema haben eines gezeigt: Keine Seite hat gewonnen – am wenigsten die Betroffenen, die einfach nur ihr eigenes Leben leben möchten. Und für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir als Gesellschaft am gegenseitigen Verständnis arbeiten und Toleranz und Respekt nicht nur dann einfordern, solange es die eigene Meinung betrifft. Herzlichen Dank.