umso mehr, weil wir deutliche inhaltliche Schnittmengen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir wirklich, dass wir hier konstruktiv über einen gemeinsamen Antrag diskutieren, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn, auch wenn es schon dargestellt wurde, noch einmal kurz daran erinnern, wo wir gerade stehen. Der brutale Übergriff der Hamas auf Israel war der blutigste Pogrom seit der Schoah. Noch immer – nach einem halben Jahr – befinden sich israelische Geiseln in der Gefangenschaft der Hamas. Der Angriff auf Israel hat auch Jüdinnen und Juden in Deutschland in Angst und Schrecken versetzt. Nichts ist mehr, wie es war. Die ohnehin hohen Zahlen antisemitischer Straftaten sind seitdem nach oben geschnellt. Wir erleben antiisraelische und antisemitische Äußerungen an Hochschulen, auf nahezu allen kulturellen Großveranstaltungen im Land, auf der Straße, selbst im Schulunterricht. Jüdisches Leben in Deutschland ist so gefährdet wie lange nicht, meine Damen und Herren. Es ist gute Tradition, dass die demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag beim Thema Antisemitismus geschlossen auftreten. Diese langjährige Praxis ist Ausdruck der besonderen Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens. Deshalb erschreckt es nicht nur mich, dass die Union durch ihr einseitiges Agieren diesen Konsens aufgekündigt hat. Ist es wirklich nötig, dass Sie in der „Bild“-Zeitung die Zusammenarbeit mit der Koalition bei diesem Thema infrage stellen? Ich bedauere Ihr Vorgehen zutiefst, zumal unsere Gespräche noch andauern. Kein Geringerer als der Zentralrat der Juden in Deutschland hat immer wieder inständig darum gebeten, einen überfraktionellen Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus auf den Weg zu bringen, als ein wichtiges Zeichen an die Gesellschaft und an die jüdische Gemeinschaft. Ich kann nicht glauben, dass Sie darüber hinwegsehen. Warum nehmen Sie diesen Wunsch nicht ernst? Der Geschäftsführer des Zentralrats hat sogar eigens angeboten, die Vermittlerrolle zu übernehmen, und hat uns alle zum Gespräch eingeladen. Diese Einladung zeigt nachdrücklich, welch große Bedeutung ein gemeinsamer Antrag für den Zentralrat hat. Dabei ist die Bekämpfung von Antisemitismus ausdrücklich nicht die Sache von Jüdinnen und Juden. Das, meine Damen und Herren, ist unsere eigene Aufgabe und Verpflichtung hier im Deutschen Bundestag. Dieses vermittelnde Gespräch sollte eigentlich jetzt stattfinden, parallel zum Plenum. Aber Sie zwingen uns diese Scheindebatte auf und nehmen damit in Kauf, den Zentralrat der Juden zu brüskieren. Warum tun Sie das? Bei der Verfolgung antisemitischer Straftaten müssen alle Richtungen im Blick behalten werden. Strafen müssen sofort erfolgen. Die Hochschulen müssen auf antisemitische Vorfälle deutlicher reagieren können. Die Kultur muss aus der Schockstarre erwachen und sich das Schweigen abgewöhnen. Wir wollen den interreligiösen Dialog stärken. Wir wollen heutiges jüdisches Leben schützen und noch deutlicher, erfahrbarer und wahrnehmbarer machen. Es muss mehr Informationen geben, auch im Zuge von Einwanderung und Integration. Ende Januar haben wir in der Gedenkstunde die Worte von Marcel Reif gehört. Sein Vater, ein Holocaustüberlebender, hat ihn stets gemahnt: „Sei ein Mensch.“ Das bedeutet für mich: Mitgefühl zeigen und sich für die Betroffenen einsetzen. Genau das, meine Damen und Herren, sollten wir tun. Und genau das sollten wir voranbringen. Deshalb appelliere ich mit Nachdruck an die Union: Verlassen Sie den Irrweg. Lassen Sie uns in guter Tradition bei diesem wichtigen Thema ein gemeinsames, deutliches Zeichen setzen. Nehmen Sie unser Gesprächsangebot an. – Und Sie hören bitte auf, zu schreien. Danke.