Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die aktuellen Bildungsstudien sind alarmierend. PISA, IQB zeigen enorme Kompetenzverluste, insbesondere auch in unseren Grundschulen. Da erreicht nicht einmal mehr ein Viertel aller Viertklässler den internationalen Mindeststandard fürs Lesen. Im Vergleich zum vorangegangenen PISA-Test 2018 haben 15-Jährige in Deutschland das Wissen fast eines ganzen Schuljahres eingebüßt. Das heißt, es sind riesige Lücken entstanden bei den Grundkenntnissen in Deutsch und Mathematik. Aber auch die Leistungsspitze, die guten Schüler, also diejenigen, die die Klassen tragen, ist geschrumpft. Deswegen ist klar – das bestreitet, denke ich, auch hier in diesem Haus niemand –: Es besteht Handlungsbedarf. Das spüren auch die Eltern vor Ort. Und die unterscheiden dann übrigens auch nicht, ob der Bund oder das Land zuständig ist. Die wollen einfach sehen, dass es läuft. Deswegen ist es natürlich richtig, dass sich auch der Bund zu dieser Verantwortung bekennt. Aber was ist denn jetzt erst mal passiert? Ja, es ist viel angekündigt worden. Parallel dazu hat man – die Kollegin Schön hat es gesagt – „Aufholen nach Corona“ eingestellt. Jetzt können wir uns über die Qualität streiten; da hätten wir gemeinsam vieles besser machen können. Aber Sie haben gesagt: Wir lassen es auslaufen, weil jetzt das Startchancen-Programm kommt. Dann hat man die Bundesförderung der viel gelobten und wirklich großartigen Sprach-Kitas eingestampft mit der Begründung: Jetzt kommt ja das Startchancen-Programm. Wann kommt das Startchancen-Programm? Jetzt, mit Wirkung vom 1. August! Keiner weiß, für welche Schulen! Nur 4 000 von insgesamt 40 000 Schulen werden davon profitieren. Das heißt, ganz, ganz viele Schülerinnen und Schüler haben von diesem angeblichen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik – geht es ein bisschen kleiner, liebe Kolleginnen und Kollegen? – nichts, aber auch gar nichts. Wenn der Paradigmenwechsel schon so groß ist, frage ich mich, warum die Ministerin sich nicht selber hinstellt und erklärt, was ihr großes Ziel in der Bildungspolitik ist. Auch das ist übrigens ein Armutszeugnis. Also: Zu spät gemacht, zu schlecht gemacht. Jetzt höre ich permanent: Es ist großartig, dass wir den Königsteiner Schlüssel bei der Mittelverteilung überwunden haben. – Wenn Berlin aufgrund Ihrer Entscheidung, genau diesen Königsteiner Schlüssel nicht mehr anzuwenden, mit der zweithöchsten Armutsquote 9 Millionen Euro weniger bekommt, Baden-Württemberg hingegen, wo es, na ja, vielleicht nicht ganz so dringend notwendig ist, 16 Millionen Euro mehr, dann würde ich Ihnen mal zurufen: Bei dieser Mittelverteilung haben Sie einen krassen Denkfehler drin. Deswegen funktioniert auch das nicht. Da hätte ich mir schon noch etwas mehr Nachdenken gewünscht. Ich gönne es den Baden-Württembergern von Herzen. Aber wenn man sich schon rühmt, hier eine bessere Verteilung hinzubekommen, dann sollte das im Detail auch nachvollziehbar und stimmig sein, und das ist es nun tatsächlich nicht. Und wissen Sie was? Es heißt „Startchancen-Programm“! Ja, das sind die Grundschulen, richtig. Aber das, was in Ihrem Antrag völlig fehlt, wenn wir über „Start“ und „Chance“ sprechen, ist das Bekenntnis zur frühkindlichen Bildung. Das kommt in Ihrem Antrag kein einziges Mal vor. Aber da geht es doch eigentlich schon los: nicht erst in den Grundschulen, sondern schon eine Ecke früher. Und dazu bekennen wir uns nicht nur hier im Bund, sondern auch in den Ländern. Wir müssen uns dringend auf den Weg machen, in diesem Bereich noch viel besser zu werden. Und ein Letztes. Die größte Säule in diesem Programm ist die erste Säule: Investitionen in Gebäude, also in Beton. Von einer schöneren Leseecke ist noch kein Schüler schlauer geworden. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Ihnen zur Verbesserung von Startchancen nicht mehr einfällt als dieses Programm, dann wird das kein Paradigmenwechsel. Vielen herzlichen Dank.