Wieder einmal müssen wir uns hier mit einem AfD-Gesetzentwurf beschäftigen, der inhaltlich kaum schlechter gemacht sein könnte. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Als Standesbeamter macht mich das in diesem Fall besonders wütend. Denn was die AfD hier betreibt, ist absichtlich unsauber gearbeitet, um ein bisschen gegen Ausländer hetzen zu können, und lässt dabei Grundsätze außen vor, die jeder von meiner Berufsgruppe kennt. Das zentrale Element bei der Vaterschaftsanerkennung ist doch: Es geht um das Wohl des Kindes. Populismus auf Kosten von Kindern, ich finde das absolut niveaulos! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist vor allem das Recht des Kindes, zwei – oder, wenn man sich das Urteil aus Karlsruhe von gestern anschaut, vielleicht auch mehr als zwei – Elternteile zu haben. Vaterschaft ist ein Elterngrundrecht; auch das hat uns Karlsruhe gestern bestätigt. Vor allem auch die rechtliche, die soziale Vaterschaft spielt historisch gewachsen eine tragende Rolle für das Kindeswohl. Denn mit der Anerkennung der Vaterschaft übernimmt der rechtliche Vater Verantwortung für das Kind und garantiert so ein Familienverhältnis zu diesem, auch wenn der leibliche Vater, aus welchen Gründen auch immer – das ist an der Stelle nicht relevant –, nicht verfügbar ist. Wir Standesbeamtinnen und Standesbeamte wissen, wie wichtig ein intaktes Familienverhältnis und das Recht des Kindes auf mehrere Eltern ist. Deshalb gibt es explizit hohe Hürden, eine rechtliche Übernahme der Vaterschaft abzulehnen, und das ist, verdammt noch mal, gut so, wie es ist. Kommen wir zum Entwurf der AfD und zu dem, was ihn einfach grottenschlecht macht. Sie fordern, dass in allen Fällen, in denen ein Elternteil nichtdeutscher Herkunft ist, die Ausländerbehörde beteiligt wird. Nicht nur stellen Sie damit alle Ausländer/-innen unter Generalverdacht – das kennt man von Ihnen; das wundert mich an der Stelle leider auch nicht –, sondern Sie verstoßen damit auch gegen EU-Recht – was Ihnen wahrscheinlich einfach egal ist –, Sie „vergessen“ mal schnell, dass die Ausländerbehörde keine einzige Akte über EU-Bürger führt. Sie „übersehen“ in Ihrem Entwurf, dass ein Großteil der Ausländer, die hier die Vaterschaftsanerkennung beantragen, längst eine Niederlassungserlaubnis haben. Aber gut, dass Sie gegen unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hetzen. Ist ja wirklich Ihr politisches Tagesgeschäft, so bedauerlich das auch ist. Was Ihnen allerdings völlig entgeht, ist, dass aus Ihrem Entwurf ein wahres Bürokratiemonster erwächst. Nach meiner Erfahrung haben wir allein in Nürnberg pro Jahr ungefähr 350 Fälle, in denen Kinder beurkundet werden, deren Mutter oder Vater nicht den deutschen Pass besitzt. In der Regel werden nicht viele davon – vielleicht 2 bis 3 Fälle pro Jahr – wegen mutmaßlichem Missbrauch ausgesetzt und ins Prüfverfahren an die Ausländerbehörde gegeben. Und wir sind dabei ein relativ strenges Standesamt. Jetzt wollen Sie das Hundertfache an Fällen an die Ausländerbehörde übergeben – dann ist die circa ein Jahr lang damit beschäftigt, dieses Prüfverfahren durchzuführen – und behaupten dann ernsthaft noch, dass dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Ich sage, das ist absoluter Quatsch. Und das ist bei Weitem nicht der einzige Fall, bei dem Ihre Kostenrechnung allen Regeln der Mathematik zuwiderläuft: Bei den Zahlen und dem Verhältnis von möglichen Einsparungen beim Kindesunterhalt in Fällen der Unterhaltsvorschussleistung durch den Staat zum Beispiel, haben Sie gerade gesagt, kommen Sie auf Kosten in Milliardenhöhe – faszinierend! In Ihrem Antrag ist noch von Millionen die Rede. Das ist selbst dann, wenn wir anschauen, mit welchen Kosten für die gesamte Kindheit zu rechnen ist, eine absurde Summe. Doch hier geht es Ihnen eigentlich gar nicht um irgendwelche Einsparungen. Stattdessen kommt etwas zum Vorschein, was darunterliegt: schlicht und ergreifend Ihre Abneigung gegenüber Menschen, die eine eingeschränkte finanzielle Situation vorweisen. Denn Sie nutzen die absurde Rechnung, die Sie da aufstellen, um die wirtschaftliche Lage des antragstellenden Vaters zum Kriterium für die Aussetzung der Vaterschaftsanerkennung zu machen. Nebenbei wollen Sie noch eine Beweislastumkehr vornehmen. So muss der Antragsteller, dessen Anerkennung gerade aufgrund seiner finanziellen Lage ausgesetzt worden ist, selbst die Kosten für diese Überprüfung übernehmen – na wunderbar! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass hier Populismus auf dem Rücken von Kindern betrieben wird. Denn letztlich will die AfD Kindern bis zum Abschluss des Überprüfungsverfahrens die zweite Elternstelle verwehren – in allen Fällen, in denen ein Elternteil nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. In dieser Zeit haben die Kinder nur ein Elternteil, nämlich die Mutter. Sollte dieser etwas zustoßen, würde das Kind plötzlich gänzlich ohne rechtliche Bezugsperson dastehen – nur weil ausländische Menschen unter Generalverdacht gestellt werden sollen. Ich glaube, ich hätte jetzt noch ein bisschen Zeit; aber ich weiß ehrlich nicht, was ich zu diesem Unsinn sonst noch sagen sollte. Stattdessen komme ich jetzt einfach zum Schluss und plädiere selbstverständlich dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen, im Ausschuss und in der zweiten und dritten Lesung. Vielen Dank.