Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich folgende Situation vor: Lea erfährt, dass sie schwanger ist. Vielleicht würde sich Lea gerne über diese Nachricht freuen, wie es „üblich“ ist; das ist schließlich die „gesellschaftliche Norm“. „Sich darüber zu freuen, ist doch ganz selbstverständlich“, mag mancher sagen. Doch manch einer weiß nicht: Vielleicht stellte sich bei den frühen Untersuchungen eine geringe Überlebenschance für das Kind heraus. Vielleicht musste sie abwägen, ob die Schwangerschaft für sie selbst zu einem immensen gesundheitlichen Risiko werden würde. Vielleicht möchte sie das Kind aber auch nicht bekommen, weil ihr Gewalt angetan wurde und weil die psychische Belastung sie erdrücken würde. Statt Freude empfindet Lea Angst, Zweifel und Schuldgefühle. In ihrem tiefsten Inneren weiß sie, dass sie sich nicht freuen kann, dass sie dieses Kind nicht bekommen kann. Die Gründe dafür kennt aber nur Lea. Lea zermartert sich also den Kopf: Was soll ich tun? Bei dem Gedanken an eine Abtreibung dreht sich ihr der Magen um. Lea kommt nach langem Zweifeln, Abwägen und vielen Gesprächen mit den Angehörigen zu dem Entschluss: Sie braucht Hilfe, sie braucht externe Unterstützung, sie braucht eine fachliche Beratung. Lea geht also verzweifelt an den Ort, an dem sie Rat und Hilfe finden soll. Was erwartet sie aber in der Realität? Auf dem Weg zu den Beratungsstellen wird Lea angegangen – von einer Person oder von einer ganzen Gruppe sogenannter Lebensschützer. Sie wird verurteilt, angefeindet und beschimpft. Oftmals werden Plakate mit religiösen Symbolen hochgehalten oder sogar Gebetsrufe ausgesprochen. Mitgefühl? Empathie? Menschlicher Anstand? Fehlanzeige. Gerne am Ende, jetzt nicht. Was Lea erfährt, ist inakzeptabel. Es ist inakzeptabel, dass Frauen in einer äußerst verletzlichen Situation zusätzlich Stress und Druck ausgesetzt werden. Es ist inakzeptabel, dass sie auf dem Weg zu einer medizinischen Einrichtung Angst vor Verurteilung und Belästigung haben müssen. Genauso ist es inakzeptabel, dass Mitarbeiter von Abtreibungskliniken und Beratungsstellen bedrängt werden. Das muss und das wird sich ändern. Wenn ich über dieses Thema spreche, denke ich an die vielen Frauen in unserem Land, die sich damit auseinandersetzen müssen oder mussten. Denn Sie können mir eines glauben: Keine dieser Frauen hat sich diese Entscheidung leicht gemacht. Dabei möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Heute geht es nicht um die Abschaffung des § 218 Strafgesetzbuch, wie so manch einer in der Rede schon suggeriert hat. Das ist nicht das Thema der heutigen Debatte; das ist eine eigene Diskussion wert. Heute geht es um die Anpassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Also, wir reden vom Schutz der Frauen bei der womöglich schwersten Entscheidung ihres Lebens. Die Verantwortung, diesen Schutz zu gewährleisten, haben wir als Gesetzgeber. Wir haben die Verantwortung, sicherzustellen, dass ungehinderter Zugang zu Beratungsstellen möglich ist. Wir haben aber auch die Verantwortung, dass das Personal ebenso ungestört seine wichtige Arbeit verrichten kann. Deshalb schlagen wir diese Gesetzesänderung vor, die den Ländern einen klaren Auftrag gibt: den Schutz von Frauen bei dem schwersten Gang ihres Lebens sicherzustellen. Belästigungen vor Beratungsstellen und Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche stellen wir künftig unter Strafe. Wir ermöglichen, dass die Frauen mit Würde und Respekt behandelt werden: vor, während und nach dieser Entscheidung. Jeder Mensch verdient die Unterstützung in einer Zeit der Not. Was aber gar nicht geht, sind Hass und Hetze. Die Beleidigung und Einschüchterung von Frauen gehen weit über eine Meinungsäußerung hinaus. Als Freie Demokratin bin ich der festen Überzeugung: Es soll niemandem mehr in Zukunft so gehen wie Lea aus meiner Erzählung. Mit dieser Gesetzesänderung werden wir genau das erreichen. Jede Frau wird über ihre Zukunft entscheiden können – ohne Angst vor Hass und Hetze. Vielen Dank.