Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich mit der deutschen Innenpolitik auskennt, konnte bereits vor einer Woche erahnen, wie die Debatte heute verlaufen wird. Schon eine Woche vor Veröffentlichung der Zahlen konnte man Diskussionen darüber hören. Das Perfide daran ist: In der Überzahl der Vorberichte wurden die Zahlen verdreht, verkürzt oder falsch dargestellt. Der passende Spin war von Anfang an gesetzt: In Deutschland muss man sich jetzt Sorgen machen. Hier ist jetzt alles gefährlicher. In Deutschland müssen sich die deutschen Bürger zu Recht Sorgen machen. Schuld daran sind – wie soll es anders sein – natürlich die „bösen Ausländer“. Weil Sie die Zahlen vorschnell interpretieren und weil Sie schon wieder gegen Ausländer hetzen und nach Abschiebung rufen, muss ich darauf heute Zeit verwenden, statt mich mit den eigentlichen Faktoren zu beschäftigen. Deutlich sinnvoller wäre es nämlich, über die Faktoren zu sprechen, die einen Einfluss auf die Kriminalität haben und Hinweise geben, wie Kriminalität bekämpft und Prävention geleistet werden kann. Wir wissen nämlich, dass die Faktoren soziale Teilhabe, Armut und individuelle Gewalterfahrung sind, ganz sicher aber nicht die Verkürzung auf einen Pass oder eine Herkunft. Es scheitert bei manchen Interpretationen schon daran – so mein Gefühl –, dass man den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht kennt. Ich leiste hier gern einmal eine Hilfestellung. Wenn in einer Region besonders viele Kinder geboren werden und in dieser Region auch besonders viele Störche leben, dann ist das eine Korrelation. Können wir davon ausgehen, dass die Störche die Kinder bringen? Nein, natürlich nicht. Das ist keine Kausalität. Keine andere Statistik wird so konsequent und so bewusst für die eigenen politischen Ansichten missbraucht wie die PKS. Die Frage, die ich mir an dieser Stelle also stelle, ist: Können oder wollen Sie die PKS nicht richtig interpretieren? Wer die PKS richtig interpretieren möchte, der muss einfach nur die Seiten 7 und 8 der Information lesen, die das BMI dazu liefert. Dort steht nämlich ganz deutlich, was die PKS kann und was die PKS nicht kann. Die PKS bildet die Fälle ab, die im vergangenen Jahr bei der Polizei eingegangen sind. Die Statistik sagt nichts darüber, ob die Menschen zu Recht oder zu Unrecht angezeigt worden sind oder ob sie zu Recht oder zu Unrecht tatverdächtig waren. Besonders problematisch finde ich, dass Sie die PKS als einen Festtag missbrauchen, um in den gemeinsamen Chor der Hetze einzusteigen. Sie sollten stattdessen die Seiten genauer lesen. Alles andere ist unseriöse Politik. Kommen wir zu den eigentlichen Zahlen. Es ist schlichtweg falsch, zu sagen: Deutschland ist krimineller geworden. Es ist genauso falsch, zu sagen: Es gab mehr Straftaten im vergangenen Jahr. Es ist richtig, zu sagen: Es gab einen Anstieg der Anzahl der angezeigten Fälle, mit denen sich die Polizei beschäftigen muss. Aber das klingt nicht so schön populistisch. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Es kann daran liegen, dass es weniger Hürden für die Bürgerinnen und Bürger gibt, Straftaten anzuzeigen, zum Beispiel weil das jetzt auch online geht. Es kann tatsächlich sein, dass es mehr Straftaten gibt. Aber es kann auch sein, dass die Polizei besser geworden ist, das Hellfeld zu erweitern. Wir wissen es einfach nicht, und wir können es auch nicht wissen. Das geben diese Zahlen nicht her. Von daher muss man die Debatte unter diesen Gesichtspunkten führen. 2019, im letzten Vor-Corona-Jahr, haben circa 10 121 000 Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland gelebt. In 2023 waren es 13 896 000 Menschen. Das ist ein Zuwachs von 37 Prozent. Wenn man sich jetzt die PKS anschaut und Ihrer Ideologie folgen würde, dann müsste man annehmen: Wenn die Anzahl der Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft um 37 Prozent gestiegen ist, müsste auch die Zahl der Tatverdächtigen, die nichtdeutsch sind, in gleicher Höhe angestiegen sein. Das ist sie aber nicht. Das heißt: Es erhärtet sich der Verdacht, dass Sie die Zahlen verkürzt darstellen. Am Ende noch ein ganz kurzer Tipp für diejenigen, die die nächste Schlagzeile suchen. Die Gewalt, die von Senioren ausgeübt wird, hat sich seit den frühen 2000er-Jahren übrigens verdreifacht. Trotzdem sagt niemand: Jetzt müssen wir mal gegen Senioren hetzen. Das macht keiner. Bei den Ausländern geht es für Sie aber superschnell. Von daher möchte ich an dieser Stelle Folgendes sagen: Wir sehen, in der Debatte um die PKS ist immer wieder sehr viel heiße Luft. Wir müssen uns mit Prävention beschäftigen. Wir müssen uns beschäftigen mit den ernsthaften Faktoren und dafür sorgen, dass die Kriminalität sinkt. Ganz besonders möchte ich zum Schluss allen herzlich danken, die dafür sorgen, dass Deutschland so sicher bleibt, wie es gerade ist. Danke schön.