Statt mit Kriegstreiberei und Waffenlieferungen die Eskalation voranzutreiben, muss die deutsche Politik sich wieder auf ihre Stärken besinnen. Das heißt: Sie muss alles daransetzen, im Ukrainekrieg als Vermittler aufzutreten und Verhandlungen in Gang zu bringen. Dazu verpflichtet uns im Übrigen auch das Friedensgebot im deutschen Grundgesetz. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorzeichen, unter denen Sie zu diesem Europäischen Rat aufbrechen, sind düster. Der Ukrainekrieg ist bereits im dritten Jahr. Ernsthafte Bemühungen, das verhängnisvolle Blutvergießen mitten in Europa zu beenden, sind nicht in Sicht. Kriegstreiberei und Kriegsrhetorik bestimmen die Tonlage in Brüssel sowie in Berlin. Der Präsident des Europäischen Rates Michel fordert, Europa müsse sich auf den Krieg vorbereiten und zur Kriegswirtschaft übergehen. Der französische Staatspräsident Macron redet den Einsatz von NATO-Truppen auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz herbei und prahlt, dass Frankreich dazu in der Lage wäre. In den Reihen der Union träumt man in bemerkenswerter Geschichtsvergessenheit – Herr Merz, weil Sie die ganze Zeit dazwischenbrüllen – davon, den Krieg nach Russland zu tragen. Dafür steht die Union. Im Gleichschritt mit der FDP-Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann formiert sich eine schwarz-grüne Koalition der Kriegstreiber, die sich in martialischer Rhetorik gefällt und anderen – auch Ihnen, Herr Bundeskanzler; schade, dass Sie nicht da sind – Defätismus vorwirft. Der kriegerische Überbietungswettbewerb klingt umso absurder vor dem Hintergrund des desolaten Zustandes der eigenen Streitkräfte. Die Bundeswehr verfügt nach wie vor über keine einzige einsatzfähige Heeresbrigade. Dennoch kreist die Debatte unentwegt um neue milliardenschwere Waffenlieferungen und Finanzhilfen an Kiew, während der Wiederaufbau der eigenen Armee und die Wiedergewinnung der Fähigkeit für die eigene Landesverteidigung hier offenbar keine Prioritäten genießen. Es war richtig, Herr Bundeskanzler, dass Sie der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine widersprochen haben. Es wäre nicht im deutschen Sicherheitsinteresse, unsere Streitkräfte von einem weiteren wichtigen Waffensystem zu entblößen. Dabei verfügt die Bundeswehr selbst nicht einmal über eine ausreichende Anzahl dieser Marschflugkörper, um ihren Verpflichtungen gegenüber der NATO nachzukommen. Die Abgabe dieses Systems, das als Offensivwaffe weit nach Russland hineinwirken und selbst den Kreml erreichen kann, wäre eine ganz klare Kriegsbeteiligung. Sie würde zwangsläufig den Einsatz deutscher Soldaten zur Bedienung nach sich ziehen und damit das Eskalationspotenzial dramatisch erhöhen. Und auch Sie, Herr Scholz, sind immer wieder umgefallen und haben sich zur Eskalation drängen lassen. Erst sollten deutsche Panzerhaubitzen die Kriegswende bringen, dann deutsche Schützenpanzer und schließlich deutsche Kampfpanzer. Nichts davon hat die hochgeschraubten Erwartungen erfüllt. Jetzt preisen die Eskalierer den Taurus als Gamechanger oder Wunderwaffe an. Auch mit dem Taurus hätte die Ukraine nicht den leisesten Hauch einer Chance, ihre Kriegsziele zu erreichen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Selbst wenn Sie diesmal standhaft blieben: Das Nein zum Taurus reicht nicht! Faktisch agiert Deutschland wie eine Kriegspartei. Deutschland beteiligt sich durch die Sanktionen am Wirtschaftskrieg gegen Russland. Deutschland liefert Waffen an die Ukraine. Deutschland leistet in erheblichem Umfang Finanzhilfen, und Europa enteignet Kapitalerträge auf russische Reserveeinlagen – aus meiner Sicht ist das verboten. Fraglos ist Russlands Krieg in der Ukraine ein völkerrechtswidriger Angriff. Ebenso fraglos hat die Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung. Die Entscheidung, sie dabei zu unterstützen, entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung zu rationaler Politik im wohlverstandenen Interesse unseres eigenen Landes und unseres eigenen Volkes. Deutsche Interessen werden in Berlin vertreten und definiert, nicht etwa in Kiew oder in Washington. Sogar in den USA stehen die Zeichen längst auf Ausstieg. Zu glauben, die Europäer könnten den Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland allein weiterführen, wäre Torheit und Hybris in einem. Der Ukrainekrieg ist längst festgefahren. Er verschlingt Monat für Monat Milliarden an Geld und Material und zahllose Soldatenleben. Die Sieges- und Durchhalteparolen aus Kiew sind unrealistisch. Dieser Krieg muss nicht eingefroren, er muss beendet werden. Eine Ukraine als entvölkerter und verwüsteter Kriegsschauplatz auf Jahre hinaus, hoffnungslos von ausländischen Zahlungen abhängig und unter der steten Gefahr der Eskalation zu einem dritten Weltkrieg, ist weder im deutschen noch im europäischen Interesse. Sie kann letztlich auch nicht im Interesse der ukrainischen Nation sein. Deutschlands Interesse ist der Friede in Europa, die Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu allen Ländern, auch zu Russland, und die Beendigung des Sanktionskrieges, der uns allein am meisten schadet. Der Weg dazu führt über Verhandlungen. Sie können diesen Auftrag nicht abtun, indem Sie einen Kriegsgegner glorifizieren und den anderen dämonisieren. Realistische Außenpolitik hat die Aufgabe, im Propagandadonner der Kriegsparteien, den wir hier alltäglich hören, die Anknüpfungspunkte für einen tragfähigen Interessenausgleich zu finden. Gerade wenn die Waffen sprechen, darf die Diplomatie nicht schweigen! Handeln Sie zum Besten des eigenen Volkes und der Völker Europas! Suchen Sie den Weg zum Frieden, – – um einen großen europäischen Krieg zu verhindern.