Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten in den Reihen und auf den Rängen! Indem wir das, was wir erreichen, schlechtreden, Frau Breher, indem wir immer wieder darauf fokussieren, dass alles katastrophal wird, kommen wir keinen Schritt weiter. Wir würden uns konstruktive Unterstützung wünschen. Und zur AfD möchte ich sagen: Wahlfreiheit für Frauen in der Lebensgestaltung setzt strukturelle Gleichberechtigung voraus, sonst klappt das nämlich nicht. 400 000 Arbeitskräfte fehlen in Deutschland; das ist eine Binsenweisheit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, dass durch angemessene Aufteilung der Sorgearbeit, durch paritätische Arbeitszeitmodelle und eine bessere Betreuungsinfrastruktur dem Arbeitsmarkt sogar 900 000 Fachkräfte – Vollzeitäquivalente – kurzfristig zur Verfügung stehen könnten. Aber wir vernachlässigen dieses Potenzial noch. McKinsey belegt, dass gemischte Teams effizienter sind, auch aufgrund kultureller Diversität. Was sind also die Umsetzungshemmnisse, wenn Gleichberechtigung doch wirtschaftlich vernünftig ist? Iris Bohnet zeigt in „What Works“, dass tiefsitzende, unterbewusste Vorurteile und Zuschreibungen sogar objektivierte Personalauswahlverfahren unterwandern. Unsere Einstellungen zu Frauen, zu anderen Kulturen, zu Menschen mit Beeinträchtigungen bestimmen also die Personalauswahl viel mehr als die tatsächlichen Kompetenzen der Person. Eindrucksvoll belegt ist das in der Musik. Namhafte Orchester waren vor Jahren ausschließlich von weißen, männlichen Musikern besetzt. Vorspiele erbrachten stets den Beweis für die deutlich überlegene Qualität dieser Musiker, der männlichen Bewerber. Aber als man anfing, Vorspiele hinter Vorhängen zu absolvieren, also ohne die Person sehen zu können, änderte sich das dramatisch. Jetzt sind in diesen Orchestern 40 Prozent Frauen vertreten, und sie sind auch deutlich internationaler geworden. In den Köpfen ist Ungleichheit fest verankert. Veränderte Verfahren wie beim Vorhangbeispiel – die kosten auch nicht viel – könnten uns also zum Umdenken motivieren. Sie würden uns helfen, tief Verankertes besser zu überlisten. Es reicht also nicht, dass wir Gleichheit im Grundgesetz festgeschrieben haben. Es braucht konkrete Ziele und Regeln für Gleichstellung und Diversität, um unsere unterbewussten Tricks auszutricksen; die wollen uns nämlich nur helfen, unsere Welt kontrollierbar zu halten. Der Anteil von kleinen und mittleren Unternehmen mit einer Frau an der Spitze liegt aktuell bei 15,8 Prozent – 4 Prozentpunkte niedriger als 2022. Wo Frauen führen, sind sie allerdings meistens Gründerinnen. Der Frauenanteil in den Vorständen von DAX-Unternehmen hat sich hingegen seit Einführung der Frauenquote von 7,3 auf 23,5 Prozent erhöht. Die geteilte Elternzeit führt dazu, dass Männer eher Sorgearbeit übernehmen. In Schweden ist geteilte Elternzeit Pflicht. Das führt zu einer Umkehrung der Interpretation. Hier machen Männer, die weniger Elternzeit nehmen, auch weniger Karriere, weil sie als sozial inkompatibel gelten. Wenn also tatsächlich nicht die Vernunft uns steuert, sollten wir klug genug sein, unsere volkswirtschaftlichen Potenziale einer gerechten Gesellschaft durch entsprechende Regelwerke zu erschließen. Spoiler: Auch Männer sind zufriedener, gesünder, erfolgreicher, wenn sie nicht die Last des Versorgers und des Gesellschaftsgestalters allein auf ihren Schultern tragen. Das hat Regine Hildebrandt gesagt. Recht hat sie. Machen wir. Allein die Aufhebung des Ehegattensplittings wird positive Anreize für eine ausgewogene Beschäftigungsquote setzen, den Gender-Pay-Gap verringern, weniger Altersarmut bedingen und die häusliche Gewalt vermindern. Denn das allein kostet 54 Milliarden Euro jedes Jahr. Wenn man im selben Boot sitzt, ist es schlicht blöd, in verschiedene Richtungen zu rudern. Gleichstellung ist ein Gewinnerthema für alle. Punkt.