Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Der Antrag der Union, der unter anderem den Punkt enthält, den Achtstundenarbeitstag grundsätzlich aus dem Gesetz zu streichen, hat eigentlich einen anderen Hintergedanken, den man erkennt, wenn man sich mal das große Ganze ansieht, das, was die Union insgesamt so fordert. Sie fordern ja, dass die Arbeitsstunden, die über die wöchentlichen 40 Arbeitsstunden hinausgehen, steuerfrei gestellt werden. Was steckt denn dahinter? Sie wollen eigentlich, dass die Leute mehr arbeiten. Das Merkwürdige ist, dass laut Studien zum Beispiel neun von zehn Menschen Schwierigkeiten haben, Familie und Arbeit zusammenzubekommen, dass viele unter Burn-out leiden, dass Gewerkschaften – und zwar fast alle Gewerkschaften – weniger Arbeitszeit fordern, während Sie genau das Gegenteil fordern. Da stimmt doch irgendwas nicht, oder? Der andere Punkt ist – jetzt wird es interessant –: Am 23. Mai 2023 haben Sie hier einen Antrag gestellt, in dem dezidiert drinsteht, dass Sie sich keine tägliche Arbeitszeiterfassung wünschen; das steht original so drin. Sie halten doch den Leuten eine Karotte vor die Nase und sagen: „Ja, geht mal bitte mehr arbeiten“, aber eine genaue Arbeitszeiterfassung wollen Sie nicht. Wie soll denn dann eine vernünftige Abrechnung erfolgen? Es ist doch wirklich sehr merkwürdig, was Sie hier fordern. Aber es wird noch spannender. Sie fordern im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms, das Sie demnächst beschließen werden, dass die Arbeitszeit an die Lebenserwartung angepasst werden soll. Das heißt mit anderen Worten: bis 70 arbeiten und erst dann in Rente gehen. Das wird demnächst Ihre Position; das wird so festgezogen. Am 24. Januar 2024 sagte Julia Klöckner, dass sie sich nicht vorstellen kann, dass es mit der CDU in irgendeiner Weise die Möglichkeit gibt, ein Anrecht auf Homeoffice zu realisieren. Auch das würde den Kollegen und Kolleginnen helfen, Familie und Arbeit zu kombinieren. Das ist auch nachhaltiger, nebenbei. Jetzt wird es noch besser. Am 25. Mai 2023 hat der Kollege Mörseburg hier im Bundestag gesagt, dass es der Wirtschaft schaden würde, wenn wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen, durch das wir Aufträge nur noch an die vergeben, die vernünftig zahlen, und dass es im Moment sowieso schwierig sei, Aufträge zu bekommen. Das Gesetz wäre schädlich für die Wirtschaft. Sie sind nicht dabei, Tarifverträge an der Stelle mitzutragen. So sieht es einfach aus. Ich möchte noch zwei Punkte hinzufügen und dann zum Abschluss kommen. Zum Mindestlohn schreiben Sie in Ihrem neuen Grundsatzprogramm: Ja, den Mindestlohn finden wir eigentlich ganz gut. – Hier im Deutschen Bundestag haben Sie gesagt: „Das ist ein politischer Eingriff“, haben sich enthalten und nicht mitgemacht. So stehen Sie zu den Kollegen und Kolleginnen. Und jetzt, wo wir eine hohe Inflation haben, wo es viele Streiks im Land gibt, da sagt die Vorsitzende Ihrer Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, öffentlich: Das Streikrecht sollte eingegrenzt werden. Menschen, die im Krankenhaus arbeiten, Menschen, die einen Bus fahren, sollten nicht mehr so einfach streiken können. Da muss es etwas Vorgelagertes geben, das wollen wir eingrenzen. – Das steht schwarz auf weiß auf Ihrer Website. Fassen wir mal zusammen. Wissen Sie, wo Sie stehen? Sie schreiben in Ihrem Antrag, Sie sprechen für die Mehrheit der Menschen. Sie sprechen nicht für die Mehrheit der Menschen. Sie sprechen wahrscheinlich eher für die Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland und nicht für die Kollegen und Kolleginnen. Das ist gefährlich. Ich sage Ihnen eins: Sie sind die schlechteste Opposition, die Arbeitnehmer hier im Deutschen Bundestag haben könnten. Entscheidend ist, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Kolleginnen und Kollegen mehr Tarifverträge bekommen, dass alle miteinander, auch mit den Betriebsräten, im Sozialpartnerdialog vernünftig Vereinbarungen treffen – einerseits in Tarifverträgen, andererseits in Betriebsvereinbarungen –, dass man vor Ort eine Lösung findet. Das muss durchgesetzt werden. Das hilft den Kolleginnen und Kollegen in der Tat. Ich sehe noch einen Punkt, der genauso gefährlich ist: wenn man den Leuten vorwirft, dass sie mit ihren Streiks in irgendeiner Weise die Inflation vorantreiben. Das funktioniert nämlich gar nicht. Zuerst steigt die Inflation, und dann kann eine Gewerkschaft auf den Platz kommen und sagen: Wir fordern folgende Summen. Wenn eine Gewerkschaft jetzt 10 Prozent fordern würde, die Inflation aber bei 2 Prozent liegt, dann würde sie das niemals durchbekommen. Die Forderung muss man also auch im Kontext sehen; das ist schlichtweg so. Dementsprechend werden wir immer an der Seite der Kolleginnen und Kollegen stehen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Streikrecht so bleibt, wie es ist. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass es bei entsprechender Inflation möglich ist, Tarifverträge vernünftig durchzusetzen; denn die Menschen müssen jeden Monat mit ihrem Geld klarkommen. Dementsprechend werden wir Ihren Antrag ablehnen.