Diese Gerechtigkeit müssen wir auch ausgiebig ausbalancieren. Deswegen ist es richtig, wenn wir anmerken: In Zeiten von schrumpfender Wirtschaft müssen wir auch über die Reform des Sozialstaates sprechen. Der Kollege Rosemann von der SPD-Fraktion und der Kollege Kai Whittaker von der CDU haben noch einmal versucht, zu rekapitulieren: Wie kam es eigentlich zum Bürgergeld? Ich fand das noch etwas unvollständig. Deswegen möchte ich einen Beitrag zur Information leisten und das noch ergänzen. Am 10. November 2023, als wir hier über das Bürgergeld abgestimmt haben, war es nämlich so, dass die Union vorgeschlagen hat: Lasst uns nur die Sozialleistungen erhöhen! Lasst uns nicht um die Qualifizierungsmaßnahmen kümmern! Lasst uns nicht die Zuverdienstgrenzen für Azubis verbessern, die bei einem Verdienst von 800 Euro bei Hartz IV nur 240 Euro bekommen sollten! Sie haben damals gesagt, das Bürgergeld habe zu wenig Sanktionen, es würde zu hohe Schonvermögen geben und deswegen solle man jetzt nur die Sozialleistungen erhöhen. Sie haben auch die getrennte Abstimmung gefordert und dann der Erhöhung der Sozialleistungen zugestimmt und das Gesamtpaket abgelehnt. Dann ging es in den Vermittlungsausschuss. Dort haben wir über Sanktionen, über Vermögen gesprochen. Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses kam erneut in den Deutschen Bundestag. Als es erneut in den Deutschen Bundestag kam, haben Sie dem kompletten Bürgergeld zugestimmt, allem zugestimmt: den Sanktionen, den Vermögenswerten, den Qualifizierungsmaßnahmen, den verbesserten Hinzuverdienstgrenzen und der Erhöhung. Ich zitiere aus Ihren Pressemitteilungen: Es konnte also zum 1. Januar. starten. Und weiter: Ein weiteres Zitat: Das waren Ihre Pressemitteilungen, die man heute auf der Website noch nachlesen kann. Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen Ihrer Verantwortung und Courage und der Tatsache, wie Sie abgestimmt haben und wie Sie sich in der Öffentlichkeit verhalten. Ich würde mir etwas weniger Hasenfüßigkeit vor der eigenen Verantwortung wünschen. Und das Spiel ging weiter. Sie haben sich dann beschwert, dass die Sozialleistungen nach dem Regelsatz ein zweites Mal erhöht werden und haben aber im Bundesrat mit allen Bundesländern zugestimmt. Carsten Linnemann setzt sich in jede Talkshow und betont: Leistung muss sich mehr lohnen. – Ich teile das, was Carsten Linnemann sagt. Aber Sie sind nicht der Hüter von Erwerbsanreizen und Leistungsgerechtigkeit, wenn Sie im Bundesrat am Ende zustimmen. Auch das ist eine Hasenfüßigkeit vor der eigenen Verantwortung. Ich finde, zu einer Opposition gehört es, Kritik zu üben. Das ist auch legitim. Aber ich würde mir etwas mehr Ehrlichkeit in der Debatte wünschen. Vielleicht kann das ein Anlass sein. Ich finde aber auch, die Koalition muss besser sein als der oppositionelle Besserwisser. Wir sind diejenigen, die Verantwortung tragen. Das heißt für uns, wir müssen es besser machen. Ich sage für meine Fraktion: Ich bin noch nicht mit dem Sozialstaat zufrieden. Ja, wir haben einige gute Sachen auf den Weg gebracht. Ich sehe aber erheblichen Reformbedarf. Für uns bedeutet Gerechtigkeit im Sozialstaat, dass er nicht nur gerecht gegenüber denjenigen sein muss, die hilfsbedürftig sind, sondern auch denjenigen gegenüber, die Steuern zahlen. Es ist nicht das Geld des Staates, sondern das Geld der Steuerzahler. Ich sehe die skeptischen Blicke bei Rot und Grün zu diesem Punkt, der uns aber besonders am Herzen liegt und bei dem wir vielleicht einen Unterschied haben; denn wir glauben nicht, dass das Geld der Steuerzahler einfach nur eine Verteilmasse von Politikern ist, sondern man muss sich auch rechtfertigen. Aber ich glaube, es gibt auch viele Gemeinsamkeiten bei der Frage, wo wir Reformen des Sozialstaates für sinnvoll halten. Es ist eigentlich eine Absurdität, dass es für eine Familie in München keinen Unterschied macht, ob sie 3 000 oder 5 000 Euro brutto verdient. Wenn sie 2 000 Euro mehr verdienen würde, hat sie gerade einmal 32 Euro mehr in der Tasche. Das war schon bei Hartz IV so. Das war schon beim Wohngeld so und beim Kinderzuschlag. Wir sollten die Hinzuverdienstgrenzen leistungsgerecht ausgestalten. Es ist eine Absurdität, dass wir immer noch Weiterbildungsmaßnahmen haben, zu denen die Menschen nicht gerne hingehen und in denen sie nicht gut qualifiziert werden. Wir können nicht zufrieden sein, da wir viel Geld in Weiterbildung stecken, aber die Qualität schlecht ist. Ich finde auch den Widerspruch zwischen denen, die sagen: „Wir müssen in Arbeit vermitteln“, und denen, die sagen: „Wir müssen qualifizieren“, nicht mehr zeitgemäß. Zeitgemäß wäre ein duales System für Arbeitslose. Verbesserungen sowohl bei Arbeitsgelegenheiten als auch bei Teilzeitarbeit, Qualifizierungen und digitalen Sprachangeboten wären notwendig. Ich mache noch mehr Angebote. Wir müssen bei den Jugendberufsagenturen und bei der Vernetzung der Daten besser werden; auch in den Ländern. Es kann nicht sein, dass die Schulen die Daten darüber, wer noch keine Ausbildung gefunden hat, nicht weitergeben und die jungen Menschen erst zur Vermittlung kommen, wenn sie arbeitslos sind. Es gibt viel Handlungsbedarf. Ich komme zum Schluss. – Meine Fraktion lädt die konstruktive Opposition dazu ein. Wir laden aber auch die regierungstragenden Fraktionen dazu ein, – – den Sozialstaat weiter zu reformieren. Nicht mehr Geld – – und ihn noch teurer machen, sondern ihn besser machen ist unser Motto.