Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitten in Europa tobt ein schrecklicher Landkrieg. Deutschland ist mit Abstand der größte Unterstützer der ukrainischen Verteidigung in Europa, weil Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen. Deswegen ist es richtig, dass wir mit Leidenschaft darüber streiten, obwohl ich sagen muss, dass ich für manches, was ich auch aus den eigenen Koalitionsreihen höre, wenig Verständnis habe. Ich weiß gar nicht, wohin diese rhetorische Militanz eigentlich hinführen und wen sie abschrecken soll. Jedenfalls ist sie nicht richtig. Putin führt seinen Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern er führt auch einen digitalen, hybriden Krieg um die öffentliche Meinung, und man darf ihm nicht auf den Leim gehen. Das tun die Rechtsradikalen, die sein Geschäft betreiben. Bei allem, was uns trennt: Wir haben hier Gemeinsamkeiten gegenüber den Demokratiefeinden. Lassen Sie uns das bei aller Leidenschaftlichkeit, mit der wir hier miteinander debattieren, nicht vergessen. Aber auch Sie von der Union sollten das Desinformationsschachspiel nicht mitmachen, in dem Sie übrigens mitnichten Großmeister sind. Da, wo Außenpolitik gefragt ist, machen Sie Innenpolitik. Da, wo es um staatstragende Opposition geht, machen Sie Fundamentalopposition. Ihnen geht es nicht darum, langfristigen Schaden zu vermeiden, sondern Sie wollen kurzfristige Schlagzeilen haben, genauso wie ihre republikanischen Parteifreunde in den USA. Man muss schon sagen: Die Obsession um einen Marschflugkörper, der übrigens eine tod- und zerstörungsbringende Kriegswaffe ist, verlässt zunehmend die Bahnen einer vernünftigen Debatte; in anderen Ländern gibt es sie gar nicht. Die Vorwürfe an den Bundeskanzler sind grotesk. Angeblich haben Russen an einer Telefonkonferenz von Offizieren teilgenommen. Weder war das so, noch wäre das technisch möglich gewesen. Wahlweise sagen Sie, der Bundeskanzler habe gelogen oder Geheimnisverrat begangen. Nichts davon stimmt. Alles wurde widerlegt, teilweise in Sitzungen, die vertraulich sein müssen. Wegen der technischen Details wurde das ausgeräumt; das weiß Herr Röttgen. Man merkt an dieser Stelle, dass der letzte Außenminister der Union vor 58 Jahren sein Amt verlassen hat. Die außenpolitischen Kompetenzen der Union sind an dieser Stelle vollständig abhandengekommen. Sie sollten Ihre Leute mal zurückpfeifen. Herr Hahn, Sie haben zwar heute Geburtstag, aber dem sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Mützenich Appeasement vorzuwerfen, ist eine Unverschämtheit; das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Es waren die Sozialdemokraten, die den Nazis widerstanden haben bis zum Schluss. Hören Sie auf mit den Appeasement-Vorwürfen! Und ganz ehrlich: Was Ihre Leute sagen! Herr Kiesewetter – er ist mehrmals zitiert worden – sagt, er wolle den „Krieg nach Russland tragen“. Herr Spahn sagt im Fernsehen, der Kanzler habe Angst, man könne seinen „Angstschweiß riechen“. Als ob es darum ginge, den Schützenkönig von Schöppingen auszurufen! Es geht um Krieg und Frieden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit wäre bei Ihnen wirklich angebracht. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: An diesem gefährlichen, verantwortungslosen und infantilen Gerede merkt man, was man zu erwarten hätte, wenn die Bürgerinnen und Bürger eine Merz-, Söder- oder Spahn-Regierung hätten und keine, die von Olaf Scholz geführt wird. Das muss man ganz deutlich sagen. Erst sagen Sie, der Bundeskanzler richte sich nach den Umfragen, und dann sagen Sie, weil er so rede, seien die Umfragewerte so schlecht. Was stimmt denn nun? Ich sage Ihnen eines: Der Bundeskanzler richtet sich nicht nach demoskopischen Werten und Stimmungen auf Social Media, sondern er entscheidet besonnen und nach reiflicher Abwägung. Das ist übrigens Ausdruck von Verantwortung. Um es mit Walter Scheel zu sagen – das Zitat haben wir schon häufiger gehört –: Genau das macht Olaf Scholz. Sie wissen das. Das gefällt Ihnen nicht, uns schon und – Sie werden es noch merken – der Bevölkerung auch, meine sehr verehrten Damen und Herren.