Zwischenrufe:
4
Beifall:
13
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Ich habe heute wirklich eine sehr bequeme Redezeit, kann mich also heute hier wirklich gut ausbreiten, möchte Ihnen aber zu Beginn der Rede zurufen, dass wir gerade das Ende der Bequemlichkeit erleben. Wir erleben auch das Ende der Trägheit, nämlich das Ende der Trägheit in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Spätestens mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind wir in unserer Ruhe gestört worden. Plötzlich waren wir massiv konfrontiert mit Fragen, ob und in welchem Ausmaß wir Waffen in ein Kriegs- und Krisengebiet liefern sollten. Und die Entscheidung, die Ukraine umfänglich zu unterstützen – nicht nur mit moralischer Unterstützung oder mit Helmen, sondern auch mit Kriegswaffen, und zwar welchen, die offensiv und defensiv eingesetzt werden können –, war und ist eine Zeitenwende. Das war und ist ein deutlicher Bruch mit etablierter deutscher Außenpolitik, und auch als Regierungskoalition haben wir hier Stärke und Mut bewiesen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben alle gemeinsam dazugelernt. Erinnern wir uns doch an die Debatte im Mai 2022, sogenannte Defensivwaffen an die Ukraine zu liefern. Wir führen mittlerweile endlich öffentlich Debatten über Sicherheits- und Verteidigungspolitik, über strategische Fragen, ja, sogar über Kriegstüchtigkeit. Wir sind dabei, in unserem Land so etwas wie eine strategische Debattenkultur zu etablieren.
Bitte missverstehen Sie mich nicht: Das Eingeständnis, etwas verstanden, etwas gelernt zu haben, ist ein Zeichen politischer Stärke. Die Frage von Rüstungsexporten steht paradigmatisch für die Komplexität solcher Debatten. Diese Frage konfrontiert uns mit strategischen Fragen, mit moralischen Dilemmata, mit schweren Kompromissen, mit Werten und mit Interessen. Aber das Ende der Trägheit und das Ende der Bequemlichkeit, das muss für uns bedeuten, dass wir diesen Fragen, dieser Entscheidungsschwere mehr Raum in öffentlichen Debatten und auch mehr Raum in unserem Parlament einräumen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun besprechen wir heute zum zweiten Mal einen Antrag der AfD zu Fragen des Rüstungsexports und des Vetorechts des Bundestages bei Rüstungsexporten. In Ihrem Antrag heißt es dann auch etwas großspurig, wir würden neben verfassungsrechtlichen Fragen auch normativ-philosophische Argumente abhandeln. Aber ganz ehrlich: Hier haben Sie sich leider gründlich verhoben, und ich erkläre Ihnen jetzt auch, warum.
Ihre zentrale Forderung lautet, der Deutsche Bundestag solle ein Vetorecht für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten erhalten. Nun kommen selbst Sie nicht am Primat der Außen- und Sicherheitspolitik der Regierung vorbei, das mehrfach durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Daher fordern Sie im Antrag noch einen nachträglichen Ablehnungsvorbehalt der Bundesregierung. Das heißt dann also: Sie fordern ein Veto des Bundestages. Das kann aber „getrumpt“ werden durch ein Veto der Regierung. Also Veto überstimmt Veto. Oder: Wollen Sie ein Veto und ein Veto-Veto? Also eigentlich ein ziemlicher Quatsch. Aber das merken Sie jetzt vielleicht auch selbst.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU
Nun könnte man Ihren Antrag auch wohlmeinend interpretieren. Mit Ihrer Forderung nach einem Veto durch den Bundestag, die ja eigentlich doch nur eine Empfehlung ist, wollen Sie eigentlich eine öffentliche Debatte bewirken, eine Debatte im Bundestag über die Gründe, warum oder warum nicht Kriegswaffen in dieses oder jenes Land exportiert werden. Ihr Vetoargument ist streng genommen also ein Transparenzargument; Herr Kollege Außendorf hat es angedeutet.
Somit steht die Frage im Raum: Ist Transparenz in einer Demokratie ein Wert an sich, und wie verhält sich Transparenz zu einem berechtigten Geheimnis? Der Soziologe Georg Simmel schrieb, dass das Geheimnis zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bösen steht, aber das Böse mit dem Geheimnis. Und damit hat die AfD ja nun ausreichend Erfahrung. Ich muss da an Ihren 2022 geleakten Fraktionschat aus der „Quasselgruppe“ denken. Da konnten wir zum Beispiel über den Egoismus von Frau Weidel lesen. Ich zitiere: „Frau Weidel kann offenbar Prioritäten setzen, aber nur, wenn es um ihren eigenen Kopf geht.“
Nach einem anderen Leak der Chatgruppe „IG Meinung“ fabulieren AfD-Abgeordnete über ihre AfD-Kollegen als „Mandatsmaden“ oder „eingebildete Schwachmaten“. Das könnte man nun alles für recht unterhaltsam halten; aber diese Leaks, dieses Herstellen von Transparenz, hat einen unschätzbaren Wert für unsere wehrhafte Demokratie.
Sehr deutlich wird in diesen Chats auch Ihre rechtsextreme Einstellung. Denn unter sich fabulieren Sie dann auch darüber, dass dieser Staat schon immer ein minderwertiger Witz sei oder die BRD eine Kolonie. Und in edlen Potsdamer Vorortvillen fachsimpeln Sie dann bei gutem Schampus über gewaltsame Deportationen. Es ist sehr, sehr gut, dass durch diese Transparenz so viele Menschen gegen Rechtsextremismus und gegen Sie in diesem Land demonstrieren; denn Rechtsextremismus und Deportationsfantasien haben in unserem Land keinen Platz, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Das ist längst widerlegt! Das ist eine „Correktiv“-Lüge! Das wissen Sie doch! Schamlos!)
– Sie sind ja sehr aufgeregt.
Aber kommen wir zurück zu der Frage, ob Transparenz in Sachen Rüstungsexport ein Wert an sich ist. Mit dem Rüstungsexportbericht legt die Bundesregierung jährlich umfassend dar, in welchem Umfang Rüstungsexportgüter exportiert werden. Differenziert nach Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen, nach Umfang, Empfängerland, Wert und Anteil der Kriegswaffen gibt die Bundesregierung umfangreich Auskunft. Was ist aber nicht Bestandteil dieses Berichts? Keine Auskunft gibt der Bericht über Gründe, warum ein Geschäft genehmigt oder versagt wurde oder wer daran beteiligt war. Er gibt auch keine Auskunft, welche Voranfragen gestellt oder welche Anträge abgelehnt wurden. Dies ist keine vollständige, aber eine größtmögliche Transparenz. Ein Rest Geheimhaltung bleibt. Und die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Ist dies gerechtfertigt?
Dazu müssen wir uns aber noch einmal mit dem Wesen des Geheimnisses beschäftigten. Das Geheimnis ist ganz wesentlich durch den Moment der Vergemeinschaftung gekennzeichnet. Und was heißt das jetzt genau? Wer ein Geheimnis teilt – Sie und auch ich, etwa im Privaten –, der hat Vertrauen zu seinem Gesprächspartner. Und Vertrauen zwischen Gesprächspartnern oder gerade auch zwischen Staaten ist ein zentrales Element gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik. Nur so entstehen stabile Beziehungen.
Wie wichtig das ist, zeigen etwa die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas oder die Vermittlung von Katar über die Freilassung von Geiseln. Können Sie sich vorstellen, dass diese Gespräche in völliger Transparenz in der Öffentlichkeit, etwa in der „Bild“-Zeitung“, geführt werden? Eher nicht. – Allein daran erkennt man, dass in der Außen- und Sicherheitspolitik Transparenz kein Wert an sich sein kann. Sie wollen Ihr Veto und Ihr Veto-Veto nun auf den Konfliktfall beschränkt wissen. Dies erfordert aber gerade besondere Sensibilität.
Konkret: Bei den Exportentscheidungen spielt Vertrauen eine wichtige Rolle, zum einen auf der Ebene des Willensbildungsprozesses der Regierung, zum anderen auf der Ebene der zwischenstaatlichen Beziehungen. Würde die Willensbildung der Exekutive bei einer noch nicht abgeschlossenen Entscheidung unmittelbar publik, könnte dies die Vertrauensverhältnisse zu anderen Staaten nachhaltig stören. Die umfassende Einschätzung über deren politische und militärische Stabilität wäre vollkommen transparent. Also könnte ein Brüskieren des Landes nicht immer ausgeschlossen werden.
Aber auch unsere eigenen Sicherheitsinteressen könnten durch die vollständige Preisgabe von Details zu Vereinbarungen, zu einem Bestand von Waffen, zur Einsatzfähigkeit oder zu technischen Details gefährdet werden. Der Effekt des Clausewitz’schen Nebels des Krieges, also des Moments der Unsicherheit über die Verfasstheit der Gegenseite, das heute, ehrlich gesagt, nur noch sehr, sehr schwierig zu erreichen ist, aber im Ergebnis taktische, operative oder strategische Vorteile erzielen kann, wäre nicht mehr herstellbar.
Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])
Anders gesagt: Auf der zwischenstaatlichen Ebene wären durch vollständige Transparenz gerade im Krisenfall unmittelbare Sicherheitsinteressen sowohl des exportierenden als auch des importierenden Staates betroffen. Eine vollständige Offenlegung, etwa der gelieferten Fähigkeiten, würde einerseits die strategische Ambiguität, also eine bewusste Mehrdeutigkeit, hinsichtlich militärischer Fähigkeiten oder auch die Durchhaltefähigkeit militärischer Fähigkeiten zerstören. Andererseits könnten wesentliche Informationen zur Abschreckungsfähigkeit Deutschlands publik werden.
Weiter gesponnen kann eine vollständige Transparenz in diesen heiklen Fragen auch ein Einfallstor für Maßnahmen des Informationskrieges sein. Mit einem breiten Spektrum an Mitteln und dem Ziel der Erzeugung von Instabilität können einzelne Argumente und Daten genutzt werden, um die Entscheidungsfindung innerhalb der Öffentlichkeit zu beeinflussen und damit die gemeinsame Zielerreichung und die gemeinsamen Werte eines Staates zu untergraben. Und vielleicht fühlen sich einige bei diesem letzten Satz durchaus an die eine oder andere aktuelle Debatte, die etwas entgrenzt ist in Deutschland, erinnert. Sie sehen also, meine Damen und Herren, Transparenz ist kein Selbstzweck.
Zu Recht werden Sie sich vielleicht nun fragen, wie dies mit dem eingangs festgestellten Ende der Bequemlichkeit und Trägheit zusammenpasst, mit der Forderung nach mehr öffentlicher Debatte von Außen- und Sicherheitspolitik. Wie können wir also einerseits eine angemessene strategische Debatte führen, ohne andererseits Sicherheitsinteressen zu gefährden oder unsinnige Veto-Vetos einzuführen und zu fordern wie die AfD hier und heute?
Als Ampelkoalition haben wir hierfür eine erste sichere Grundlage geschaffen, nämlich mit der Verabschiedung der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland legen wir umfassend dar, wie wir die derzeitige Sicherheits- und Bedrohungslage einschätzen und wo wir uns global verorten. Wir definieren unsere Interessen. Wir definieren unsere Rüstungsexporte, und die verstehen wir explizit als Mittel unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Wir sprechen darüber, in welchen Dimensionen Sicherheit in unserem Land stattfindet und welche Komponenten von Bedeutung sind. Wir nennen das in der Strategie „integrierte Sicherheit“.
Nun ist aber mit der Verabschiedung der Sicherheitsstrategie die Debatte nicht abschließend geführt, weder im Bundestag noch in der Gesellschaft. Ich glaube, dass wir darüber ganz abseits Ihres Antrages gemeinsam nachdenken müssen. Denkbar wäre zum Beispiel wie in Schweden eine jährliche Konferenz aller Parteien zur Sicherheitspolitik und zur Außenpolitik, wo dies öffentlich diskutiert wird. Denkbar wäre auch, dass wir im Rahmen der in diesem Jahr beginnenden Debatten über unsere Gesamtverteidigung deutlich sagen, wo unsere Interessen liegen und wo unser Ambitionsniveau liegt. Hier wäre der Raum, deutsche Interessen zu bestimmen und anschließend auch genau zu definieren und zu operationalisieren, aber auch, genau zu sagen, was dies in der Konsequenz bedeutet. Dieses Vorgehen würde zumindest Rückschlüsse auf exekutive Entscheidungen erlauben. Doch allein den Debattenraum zur Verfügung zu stellen, wird nicht ausreichen. Wir müssen uns gemeinsam fragen, wie wir diesen dann auch füllen wollen. Lassen Sie uns hierbei nicht bequem und träge sein. Den Antrag der AfD lehnen wir selbstverständlich ab.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr gelangweilt. Einen schönen Abend!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])
Vielen Dank Herr Kollege Arlt. – Ich bedauere auch sehr, dass diese grundlegenden Ausführungen in so ein zeitliches Konzept gedrängt worden sind. Sie haben uns eine Minute geschenkt. Dafür bin ich wirklich dankbar.
Nächster Redner ist der Kollege Matthias Moosdorf, AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)