Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Letzte Nacht erschien mir im Traum ein leicht alkoholisierter AfD-Fan mit Bekenntnisdrang. Und er sprach zu mir – Zitat –: Lieber Helge, Meinungsfreiheit, das ist meine Freiheit. Was ich meine, meint das Volk; denn ich bin ja das Volk. Deshalb muss ich das Volk auch gar nicht erst fragen. Wer das Volk ist, bestimme ich. Und das Volk, das sind die Deutschen, also die wahren und echten Deutschen, nicht die ganzen Ausländer. Einmal Deutscher, immer Deutscher! Deutscher wird man nicht, Deutscher ist man! Daran kann auch das Grundgesetz nichts ändern. Mein Blut und mein Boden! – Das sagte er als Erstes zu mir. Er sprach weiter: Wenn mal wieder ein Abgeordneter bei dir, Helge, dazwischenruft: „Du bist doch weder Mann noch Frau“, und schallend lacht, dann bekomme ich als Fan der AfD, mein Lieber, einen inneren Orgasmus. Und wenn meine Jungs von der AfD bei Rednerinnen mit sogenanntem Migrationshintergrund – für mich ja nur Ausländer – mal wieder weit unter der Gürtellinie dazwischenrufen, dann fühle ich mich so groß, und dabei bin ich doch so klein. Und weiter: Meine Tochter hat einen Freund. Dieser Freund lebt mit einem anderen Mann zusammen, Vater türkisch, Mutter Kurdin. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Zu meiner Tochter sage ich: Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, bleibst du mir normal. Immer wenn meine Tochter dann im gespielten Wienerisch kontert: „Depperter, geh scheißen!“, dann renne ich zum Laptop und sende meinen nächsten Hatepost gegen Flüchtlinge ab. Apropos Hate. Hass und Hetze: Ich kann es nicht mehr hören, ich armer AfD-Fan. Ich verbreite doch nicht Hass und Hetze. Und wenn schon: Es gibt doch Meinungsfreiheit. Ich habe doch ein Recht auf Hass und Hetze. Hass und Hetze machen nur die anderen, weil sie meinen Hass und meine Hetze als „Hass“ und „Hetze“ benennen. Woher nehmen sie sich das Recht? Ich aber habe immer recht, selbst wenn ich unrecht habe. Jawohl, so begreife ich es. Und wenn ich Menschen verhöhne, dann ist das Kritik. Wenn aber die anderen kritisieren, dann ist das Zensur. So ist das. Meine Frau wird zunehmend aufmüpfig, lieber Helge. Sie meint, eine Meinung zu haben, tatsächlich, sie will Selbstbestimmung: politische Selbstbestimmung, gesellschaftliche Selbstbestimmung, sexuelle Selbstbestimmung. Wenn ich sie dann zurechtweise, dann kontert sie und sagt: Meinungsfreiheit! Und ich schreie zurück: Nein, Extremismus! Du bist ein Fall für den Verfassungsschutz, aber nicht, solange dieser freche Bengel Haldenwang da das Sagen hat. Ein Bekannter sprach mit mir neulich über Blumen. Er bewundert mich und meine Haltung. Er möchte mir ein Kompliment machen für meine stramme nationale Position. – Hören Sie doch zu. Die innere Stimme spricht doch gerade. – Er sagt zu mir: Mit deiner dornigen majestätischen Zierde bist du eine Rose. – Da ruft meine Frau aus dem Bad: Du bist keine Rose, du bist eine ziemliche Mimose. In der Tat ist es so; denn in der Demokratie lebe ich wie die Made im Speck. Sie ist mir nämlich immer nur das Mittel und niemals der Zweck – und reimen kann ich auch, ich bin ja so schön deutsch. Und immer bin nur ich das Opfer, und immer seid nur ihr die Täter, auch wenn ich euch zu Opfern mache. Klingt irgendwie unlogisch; egal, ist so. Und auch wenn ich alle Freiheiten habe, zu reden und zu meinen, so darf ich das ja nicht. Klingt etwas unlogisch; aber egal, ist so. Am Ende wird dieser AfD-Fan reumütig und sentimental. Eigentlich, sagt er zu mir, bin ich ja ziemlich erbärmlich. Ich bin nicht groß, ich bin klein. Ich kenne nur Dagegen und kein Dafür. Ich hasse mich selbst noch mehr als alle anderen. Und wenn ich mir Artikel 21 Grundgesetz genau angucke, dann muss ich schon sagen, dass ich verfassungswidrig bin. Ich bin keine Rose. Ich bin eine Mimose. Tut mir einen Gefallen: Haltet mich auf!