Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinungsfreiheit ist per Definition unbequem. Wenn ich von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch mache, dann kann und wird das anderen Menschen auch sauer aufstoßen; das ist ehrlicherweise auch der Sinn dahinter. Wer sich unreflektiert der Mehrheitsmeinung anschließt, der verspielt seine Individualität. Und an dieser Stelle sei auch ganz deutlich gesagt: Eine Meinung kann und darf nicht staatlich auferlegt werden. Meinungsfreiheit ist nicht nur gut, sie ist elementar wichtig für eine lebhafte liberale Demokratie. Und ich kann Ihnen versichern: Demokraten, insbesondere Freie Demokraten, werden die Meinungsfreiheit immer beschützen und wahren. Der Titel der Aktuellen Stunde soll den Anschein erwecken, das Digitale-Dienste-Gesetz würde Zensur einführen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist falsch. Das Gesetz über digitale Dienste nimmt vielmehr die Betreiber sozialer Netzwerke in die Pflicht, weil es nämlich nicht angehen kann, dass sich solche Betreiber zunehmend ihrer Verantwortung innerhalb einer Demokratie entziehen. So wie jede Zeitung für die Inhalte ihrer Journalisten mitverantwortlich ist, so sind es auch die großen Plattformen. Ihre Redner stehen hier im Herzen der deutschen Demokratie und behaupten unironisch, die Meinungsfreiheit wäre in Gefahr. Auch das ist eine Meinung. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich bin anderer Meinung. Und ich sage Ihnen noch etwas: Statt unser vielfältiges Miteinander immer schlechtzureden, hätte ich mir von Ihnen lieber eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Verurteilung des Kremldiktators in Russland“ gewünscht. Russland lässt nämlich Oppositionelle foltern, einsperren und ermorden, so wie Alexej Nawalny, der für sein Recht auf freie Meinungsäußerung mit dem Leben bezahlt hat. In Wahrheit ist diese Debatte ein billiger Versuch der AfD, sich zum Opfer eines angeblichen Redeverbots zu stilisieren. Worum es rechts außen wirklich geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch durchschaubar: Sie wollen menschenfeindliche Äußerungen gegenüber unseren Mitbürgern von sich geben, ohne dass Menschen mit einem Funken Anstand widersprechen. „Kritik ist kein Extremismus“ heißt es im Titel Ihrer Aktuellen Stunde. Das ist auch richtig, solange sich das auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt. Und dann ist es ehrlicherweise auch komplett egal, ob der Extremismus von links oder von rechts kommt. Jeder Extremist ist Mist. Ich denke, dass Sie sich in Wahrheit darüber ärgern, dass Sie ein Mindestmaß an Zurückhaltung üben müssen, statt Ihren Stammtischparolen freien Lauf zu lassen. Sie haben einfach keine Lust auf demokratischen Gegenwind. Wenn Sie die Situation im heutigen Deutschland für so gravierend halten, dann spricht das nicht gegen die Situation in der Bundesrepublik. Das verdeutlicht nur Ihr falsches Verständnis von Meinungsfreiheit. Denn wir sind objektiv eines der freiesten Länder dieser Welt. Sie sollten mit offenen Karten spielen. Die Plattformregulierung wird keine Meinungsäußerung verhindern. Vielmehr sichert sie – und das ist unfassbar wichtig – den freien und demokratischen Diskurs vor Sabotage, auch vor Propaganda und Falschinformationen, die insbesondere von Ihnen – aus Russland – kommen. Denn Hass und Hetze sind keine Meinungen. Was in der analogen Welt keine Bühne bekommt, das bekommt auch im Internet keine Bühne, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da es heute um Meinungsfreiheit geht, gebe ich Ihnen auch noch meine ehrliche Meinung mit: Meiner Meinung nach können Sie sich dem Schauspieler Gérard Depardieu anschließen und nach Russland auswandern. Dahin hat Ihre Partei ja auch die besten Kontakte. Im Kreml kennt man sich auch mit Ihren Lieblingsthemen aus, nämlich Deportation, Geschichtsrevision und Imperialismus. Da könnte auch Herr Chrupalla seinen Horizont erweitern, und zwar abseits der deutschen Dichtkunst. Herzlichen Dank.