Frau Präsidentin! Liebe Ministerin Paus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Nacht haben wir hier noch zu später Stunde über die Fußballeuropameisterschaft debattiert, die dieses Jahr in Deutschland stattfindet. Als die Fußballweltmeisterschaft 2006 zum ersten Mal bei uns ausgetragen wurde und wir in Deutschland ein Sommermärchen gefeiert haben, habe ich mich das erste Mal mit dem Thema Prostitution beschäftigt. Während viele dieses Sommermärchen gefeiert haben und es großartig fanden, war es für die Frauen in der Prostitution die Hölle. Ich habe damals gemerkt, dass ich mit meiner Herangehensweise als Gewerkschafterin für die Lösung gemeinsamer Interessen im Bereich Prostitution völlig versage, weil Vereinzelung, Druck, Ausbeutung, Not, regelmäßige Ortswechsel und Angst keine guten Bedingungen für Solidarität sind. Ich habe lange über Lösungen nachgedacht und kam zu dem Ergebnis, dass das Modell, das wir heute hier besprechen, durchaus tauglich ist. Es geht eben nicht nur, Frau Kollegin Jensen, allein um ein Sexkaufverbot, sondern auch um die Entkriminalisierung der Frauen, Ausstiegshilfen und eine breite gesellschaftliche Aufklärung. Ein Sexkaufverbot allein bringt niemandem etwas. Ich habe dann tatsächlich gefeiert, als die Unionsfraktion mit überwältigender Mehrheit für das sogenannte nordische Modell plädiert hat. Seit 2016 hatten wir hier im Parlament Prostitution auch nie als eigenständiges Thema auf der Tagesordnung. Darüber zu debattieren, ist okay. Aber, liebe Kollegin Bär, liebe Kollegin Winkelmeier-Becker, was ist eigentlich das Ziel dieses Antrags? Er wird an der Lage der Frauen nichts ändern. Es gibt hier im Haus, selbst wenn die Abstimmung freigegeben würde – das merken Sie doch an den Redebeiträgen hier –, keine Mehrheiten für den Antrag. Politik ist auch die Organisation von Mehrheiten für ein Anliegen. Maria Noichl, Europaabgeordnete und Vorsitzende der SPD-Frauen, hat mit dem Noichl-Report den Beschluss des Europaparlaments, die Elemente des nordischen Modells in den Mitgliedstaaten umzusetzen, im letzten September einen Riesenschritt machen können. Aber sie hat dafür erst einmal eine Mehrheit organisiert. Und was machen Sie? Sie stellen einen Antrag. Er leuchtet heute wie eine Wunderkerze, die aber in null Komma nix abgebrannt ist. In Ihrem Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der CDU stehen die Worte „Sexkaufverbot“, „Prostitution“, „Menschenhandel“ und „Ausbeutung“ nicht. Sie kommen nicht einmal vor. Sie merken ja, wie wir hier zum Teil herumeiern. Aber wir sind hier auf einem guten Weg. In der SPD ist die Debattenlage gut. Die SPD Baden-Württemberg zum Beispiel fordert die Einführung des nordischen Modells. Der SPD-Parteivorstand hat vor drei Jahren beschlossen, dass wir eine bessere Verfolgung der Organisierten Kriminalität, eine Ausweitung der Beratungsangebote und eine Prüfung brauchen, ob das Mindesteinstiegsalter bei 21 Jahren liegen soll. Es ist in den letzten drei Jahren nichts passiert, weil es bei der Polizei keine wunderliche Geldvermehrung gab, Kollegin Loop. Wir wollten auch eine frühere Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes. Wir können heute feststellen: Nichts wurde umgesetzt; es funktioniert nicht. Aber Frauen werden hunderttausendfach ins Land geschleust. Deutschland ist Zielland des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Jetzt warten wir alle – auch ich – auf die Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes. Aber in dieser Evaluation geht es nur um das Prostituiertenschutzgesetz. Es geht darum, ob Notknöpfe da sind, ob die Kondompflicht eingehalten wird usw. usf. Gerne. Liebe Kollegin Winkelmeier-Becker, ich warte nicht auf diese Evaluation. Ich bin gespannt auf die Evaluation. Aber meine Erwartung an die Evaluation ist nicht so riesig groß wie bei vielen anderen. Schließlich wird nur das Prostituiertenschutzgesetz evaluiert. In dieser Evaluation geht es beispielsweise nicht um die Schleuserwege der Frauen von China nach Deutschland; das kann kein Bestandteil sein. Was mich einfach in Wallung bringt, ist, dass Sie diesen Antrag stellen, wissend, dass es dafür keine Mehrheit gibt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir zuerst gemeinsam debattiert und dann geschaut hätten, wofür es eine Mehrheit gibt. Ob das Kind am Ende „nordisches Modell“ oder „deutsches Modell“ heißt, ist mir völlig wurscht. Aber es geht mir darum, dass Deutschland nicht mehr Zielland für Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist. Das muss das Ziel sein. Gerne. Liebe Kollegin Widmann-Mauz, nach meiner Erfahrung ist der Erkenntnisgewinn beim Thema Prostitution sowohl in diesem Parlament als auch in der Öffentlichkeit eine Schnecke. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass es im Laufe der Beratungen über diesen Antrag urplötzlich einen Erkenntnisgewinn gibt. Ich sehe einen Erkenntnisgewinn darin – darauf bin ich auch stolz –, dass der Kanzler sich klar geäußert hat, genauso wie die bremische Landtagspräsidentin. Da passiert schon viel. Aber Mehrheit bedeutet, dass hier im Haus deutlich mehr als 300 Abgeordnete dafür sind. Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam – um das vornehm zu sagen – die Energie aufbringen für eine Untersuchung zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Nach meiner Auffassung verstößt unsere Gesetzgebung dagegen. Lassen Sie uns doch eine Normenkontrollklage einreichen. Dafür braucht man keine 300 Abgeordneten, sondern nur 184. Ich freue mich, wenn Sie da mitmachen. Ja, ich diskutiere gerne über Prostitution. Mir ist Ihre Frage nicht klar geworden. Aber das Statement kann ich zum Anlass nehmen, dem Herrn von der AfD zu sagen: Den Parlamentskreis Prostitution gibt es weiterhin. Aber sorry, wir haben uns entschieden, die AfD nicht mehr dazu einzuladen, weil Sie die Aussteigerinnen aus der Prostitution so unsäglich behandelt und angesprochen haben, dass wir Ihre Einlassungen den Frauen nicht länger zumuten wollen. Die Kurzfassung lautet: Die SPD diskutiert auf allen Ebenen. Auch die SPD-Frauen haben einen Arbeitskreis eingerichtet. Wir diskutieren über Prostitution und sind uns in der SPD einig, dass es bei der Zwangsprostitution so nicht weitergeht. Wir müssen die Frage diskutieren: Wie kommt man da raus? Ich sage: Die liberale Prostitutionsgesetzgebung ist die Autobahn, auf der die Menschenhändler in Deutschland rasen. Das ist das, was ich weiß. Aber wir werden miteinander diskutieren, und wir werden – da bin ich sicher – zu einem guten Ergebnis kommen. Ich komme noch mal zurück zum Fußball. In diesem Jahr wird die Europameisterschaft in Deutschland ausgetragen. Ich wünsche mir von der deutschen Polizei und von den Ermittlungsbehörden – weil wir wissen, dass wieder viele Frauen hier ins Land gebracht werden –, dass sie bereit sind, die Opfer zu erkennen, die Täter zu verfolgen und Kontrollen zur Abschreckung durchzuführen. Wir alle wissen, dass die Nachfrage, die durch dieses Fußballevent geschaffen wird, nicht durch freiwillige Prostitution gedeckt werden kann. Ich zitiere zum Abschluss aus der Zeitung „Sun“ aus Großbritannien: – Entschuldigung, es ist ein Zitat – Es ist eine abwegige Frage, bedenkt man, dass die Bar mit Kerlen gefüllt ist, welche sich betrinken, bevor sie eine der 120 jungen Frauen besuchen, welche auf einem anderen Stockwerk des elfstöckigen „Pascha“, des größten Bordells der Welt, arbeiten. Das ist aber nicht Thailand oder Amsterdam. Köln ist eine Gastgeberstadt für die EM kommendes Jahr und entwickelt sich rasant zu Europas beliebtestem Rotlichtviertel. Das steht diesen Sommer an. Ich will nicht, dass in diesem Sommer in Deutschland Frauen massenhaft für 20 und 30 Euro vergewaltigt werden, sondern, dass wir eine breite Debatte – nicht nur über einen solchen Antrag – führen und Mehrheiten für eine andere Gesetzgebung organisieren. Danke schön.