Ich bedanke mich bei all den Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive, gute Zusammenarbeit in der Enquete-Kommission und vor allem auch beim Sekretariat für all die Arbeit, die Sie mit uns haben und uns letztendlich auch abnehmen. Herzlichen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vielleicht zwei Sachen aufgreifen, die hier gerade genannt worden sind: erstens, wir seien in eine fremde Kultur eingedrungen, und zweitens – das sagte mein Vorredner –, der Einsatz sei gescheitert. Ich möchte das gerne ein bisschen einordnen und die Frage aufwerfen, ob man bei diesen 20 Jahren tatsächlich von einem kompletten Scheitern sprechen kann und ob sie tatsächlich umsonst waren. Lassen Sie mich Ihnen Beispiele geben, die genau das Gegenteil belegen. In diesen 20 Jahren ist es gelungen, die Säuglingssterblichkeit zu halbieren. Es gab einen Rückgang, was den Analphabetismus betrifft. Es gab einen Zugang zu Energie und sauberem Wasser. Viele Mädchen und Frauen hatten Zugang zu Schule, zu Bildung. Und sich dann hierhinzustellen und zu sagen, der Einsatz sei gescheitert, wird dem Ganzen, glaube ich, nicht gerecht. Es gab Erfolge in diesen 20 Jahren. Was uns Hoffnung machen muss – ich möchte das an dieser Stelle auch noch mal unterstreichen –, ist: Von 2000 bis 2020 wuchs die afghanische Bevölkerung von knapp 21 Millionen auf 36,6 Millionen Menschen. 61 Prozent davon sind heute jünger als 25 Jahre. Das heißt nichts anderes als: Nach 2001 ist in diesem Land eine Generation groß geworden, die eine gewisse Prosperität und Sicherheit erlebt hat und etwas anderes als die enge und düstere Welt einer islamistischen Diktatur. Das macht Hoffnung, sich daran zu klammern, dass diese junge Generation wieder zu genau dem zurückwill, was sie in diesen 20 Jahren in dem Land erfahren durfte. Insofern sind das, glaube ich, Dinge, die uns davon abhalten sollten, diese 20 Jahre komplett schlechtzureden. Lassen Sie uns aber von dem allgemeinen Ansatz zur deutschen Verantwortung kommen. Wie haben wir als Deutschland eigentlich diese 20 Jahre begleitet? Auch in Zeiten, in denen wir unsere Verteidigungskapazitäten auf Landes- und Bündnisverteidigung fokussieren müssen, dürfen wir das internationale Krisenmanagement nicht aus den Augen verlieren. Es bleibt geboten, auch außerhalb des Bündnisgebiets nachhaltig zu stabilisieren, um präventiv die Sicherheit in Europa zu garantieren. Es stellt sich folglich nicht die Frage nach dem Ob, sondern vor allem nach dem Wie, danach, wie wir diese Einsätze gestalten. Nachdem man das deutsche Engagement in Afghanistan in vielerlei Hinsicht durchaus kritisch betrachten und an manchen Stellen meinetwegen auch als gescheitert definieren kann, muss die Bundesregierung trotzdem die Lehren ziehen und feststellen, was gescheitert ist. Und die Lehre ist, dass stärkere strategische Leitlinien für künftige Auslandseinsätze entwickelt werden müssen. Diese müssen nach dem Prinzip des vernetzten Ansatzes ausgestaltet werden. Sicherheitspolitische, diplomatische, entwicklungspolitische, aber auch ausdrücklich wirtschaftspolitische Maßnahmen müssen in so einem vernetzten Ansatz miteinander kombiniert werden. Alle Friedensmaßnahmen nützen wenig, wenn keine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und auch keine wirtschaftlichen Perspektiven vor Ort gegeben sind. Denn dann passiert genau das, was am Ende passiert ist. Das führte dazu, dass ganz viele Menschen in die Arme der Taliban gerannt sind. Zusätzlich ist es im ökonomischen und sicherheitspolitischen deutschen Interesse, in oftmals ressourcenreichen Konflikt- und Postkonfliktländern den Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen zu unterstützen. Hier ergeben sich Potenziale für die Außenwirtschaft und die Diversifizierung unserer Ressourcenzufuhr. Die entscheidende Frage unserer Arbeit aber lautet: Wie lässt sich diese Vernetzung der unterschiedlichen Einsatzfacetten ausgestalten? Vernetzung bedeutet nicht, nebeneinanderher zu agieren, sondern Koordination, Absprachen, gemeinsames Planen. Denn nur so wird das Engagement ganzheitlich garantiert. Um eine effektive Vernetzung sicherzustellen, bedarf es der Etablierung eines mit Weisungsbefugnis betrauten Regierungsgremiums. Unsere Forderung an dieser Stelle ist ganz klar: Wir brauchen einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt. Die Empfehlungen aus Wissenschaft und Praxis hierzu sind zahlreich. Auch das haben wir in der Enquete-Kommission von vielen Sachverständigen unterstrichen bekommen. Die Gelegenheit, dies zu etablieren, ist meines Erachtens nach all den Erkenntnissen größer denn je. Auch hier im Hohen Haus müssen wir uns multiperspektivisch mit Auslandseinsätzen beschäftigen. Daher brauchen wir ein korrespondierendes Ausschussgremium zum Nationalen Sicherheitsrat. Was steht der Etablierung beider Gremien im Weg – auch das soll hier ganz deutlich angesprochen werden –: das Silodenken in den Ressorts und die Machtansprüche zwischen den Ausschüssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier geht es um nachhaltige Friedenssicherung in der Welt und nicht zuletzt auch um unsere eigene Sicherheit. Da müssen die Zuständigkeitsstreitigkeiten einfach mal hintenangestellt werden. Was lehrt uns die Arbeit in der Kommission noch? Bevor es in den Einsatz geht, müssen klare und vor allem realistische überprüfbare Ziele formuliert werden. Dazu muss der Einsatzort kontextualisiert werden, und die Regierung muss fragen: Wo gehen wir hin? Wie sieht das politische, ökonomische, soziale Umfeld aus, wie die geopolitische Situation? Wie hat sich der Einsatzort historisch entwickelt? Ich glaube, das alles sind Lehren, die wir hier gemeinsam ziehen können und jetzt für die zweite Phase unserer Arbeit stärker in den Fokus nehmen müssen.