- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Kolleginnen und Kollegen! Die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ hat den umfangreichsten deutschen Einsatz erstmals aufgearbeitet. Der Zwischenbericht liegt vor. Mit weit über 300 Seiten ist dies nun dokumentiert.
Am Montag wurde der Zwischenbericht in der Enquete-Kommission beschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Aufarbeitung umfasste sowohl den militärischen als auch den zivilen Anteil des Einsatzes gemäß des Einsetzungsbeschlusses.
Zunächst gilt der Dank den Sachverständigen der Enquete-Kommission für ihre Arbeit sowie den Experten, die jeweils zu den Themen angehört wurden, und dem Sekretariat für die Unterstützung.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Damit beendet die Enquete-Kommission den ersten Teil ihres Auftrags, die Aufarbeitung des Einsatzes. Sie geht nun in die zweite Phase über und kommt damit zu den Lehren und Schlussfolgerungen. Der heutige Zwischenbericht ist die Grundlage dafür. Sein Umfang zeigt die Komplexität des Einsatzes, der mit rund 20 Jahren fast eine Generation umfasste. Er macht deutlich, dass es Erfolge gab und Zwischenziele erreicht wurden, der Einsatz am Ende aber dennoch mit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 deutlich und umfassend gescheitert ist.
Die Bundeswehr hat im deutschen Anteil die Hauptlast getragen. Über 90 000 deutsche Soldaten dienten in Afghanistan – manche auch mehrmals –, jeweils durch das Parlament mandatiert. Die Bundeswehr ist Parlamentsarmee, auch deshalb war die Aufarbeitung so wichtig. Neben der Bundeswehr waren Tausende Polizisten, Beamte und zivile Hilfskräfte im Einsatz. Ihrer Leistung gebührt gleichermaßen eine fundierte und tiefgreifende Befassung.
Der vorliegende Bericht stellt erstmals eine komplette parlamentarische Aufarbeitung dar, zeigt aber auch, weshalb der Einsatz am Ende gescheitert ist. Eine umfassende politische Strategie, die über den Einsatzzeitraum hinaus realistische Ziele setzte und dafür ausreichend und angepasste Mittel zur Verfügung stellte, fehlte. Das Spannungsfeld zwischen Staatsaufbau und Terrorismusbekämpfung wurde nicht hinreichend und langfristig betrachtet.
Der Zwischenbericht kommt zu dem Schluss, dass der vernetzte Ansatz in dieser Form nicht erfolgreich war. Er stellt zudem fest, dass der Begriff in der heutigen, definierten Form zu Beginn gar nicht vorhanden war. Dazu beigetragen hat, dass eine ressortübergreifende Evaluierung während des Einsatzes systematischer und selbstkritischer hätte stattfinden müssen, sie aber teilweise überhaupt nicht stattgefunden hat.
Zum politisch-strategischen Scheitern hat zudem beigetragen, dass der Austausch und die Ressortabstimmung der beteiligten deutschen Ministerien unzureichend und nicht koordiniert waren.
Koordinierungsstrukturen, wie zum Beispiel ein Nationaler Sicherheitsrat, so die Erkenntnisse zahlreicher Experten, fehlten. Grundlegende Kenntnisse über Strukturen des Einsatzlandes, wie beispielsweise das erheblich ausgeprägte Stadt-Land-Verhältnis und Stammesstrukturen, wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Auch regelmäßige Beschwerden deutscher Kommandeure bezüglich Einsatzregeln und Bewaffnung wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
Demgegenüber sind auch positive Elemente des Einsatzes zu benennen. Nicht alles war und ist schlecht. Besonders in der ersten Phase war die Terrorbekämpfung erfolgreich. Zugang zu Bildung wurde einer Generation von jungen Menschen zuteil. Mädchen und Frauen durften erstmals daran teilhaben.
Zum Schluss danke ich auch im Namen meiner Fraktion allen Einsatzkräften und gedenke aller Opfer. Die Verluste waren erheblich; hieran muss immer wieder erinnert werden. Eine ganze Soldatengeneration wurde durch den Einsatz geprägt. Viele sind daraus auch gestärkt hervorgegangen. Aber klar ist auch: Kein Einsatz hat mehr Spuren hinterlassen – in unserer Gesellschaft, aber ganz besonders bei unseren Soldaten, ihren Familien und Angehörigen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viele leiden heute noch an Verlust, Verletzung, Schmerz, seelisch wie körperlich. Ihnen gilt unser ausdrücklicher Dank, ihnen gilt unser Mitgefühl.
Das deutsche Engagement in Afghanistan wird im Ergebnis kritisch gesehen. Die Leistungen der Truppe, die hohen Einsatz gezeigt hat, sind dagegen aber unumstritten. Sie sind bis heute tief verankert in unserem Bewusstsein. Und für mich ist es bis heute beschämend, wie das letzte Kontingent Ende 2021 in Deutschland empfangen wurde. Auch das darf sich nicht mehr wiederholen.
Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gilt nun, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Diese Aufgabe wird mindestens genauso anspruchsvoll und umfangreich. Der Einsatz in Afghanistan und die Aufarbeitung im Zwischenbericht liefern dafür die Grundlage. Eine Verlängerung gemäß vorliegendem Antrag ist aus unserer Sicht auch der Gewissenhaftigkeit geschuldet, die in dieser Aufgabe liegt. Ich bitte um Ihre Zustimmung hierzu.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)