Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn die genauen Umstände noch ungeklärt sind, steht fest: Die Verantwortung für den Tod Nawalnys tragen diejenigen, die ihn seiner Freiheit beraubt und die ihn unter unerträglichen Umständen inhaftiert haben. Sowohl die Inhaftierung als auch die Haftbedingungen waren schwere Menschenrechtsverletzungen. Wem Freiheit und Demokratie am Herzen liegen, der muss ein Regime verurteilen, das so mit seinen Kritikern umgeht. Was Sie allerdings zu diesem Anlass hier aufführen, das ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Wenn Ihnen Freiheit und Menschenrechte wirklich wichtig wären, warum kommt von Ihnen kein Wort zu Julian Assange, über dessen Schicksal heute in London verhandelt wird, der seit fünf Jahren in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis unter unerträglichen Haftbedingungen festgehalten wird, der inzwischen auch so krank ist, dass infrage steht, ob er die nächsten Monate überleben wird? Und wo bleibt Ihre Empörung über die hochmoralische, wertegeleitete Außenministerin, die immerhin dem saudischen Islamistenregime, das regelmäßig Oppositionelle köpft oder zu Tode peitscht und gelegentlich auch mal einen Journalisten zersägt, Eurofighter und IRIS-Raketen liefern will? Wo ist da Ihre Empörung? Und wie zynisch muss man sein, um das tragische Schicksal von Herrn Nawalny zu missbrauchen, um der Debatte um Taurus-Raketen neuen Schwung zu verleihen, um den Krieg mit deutschen Waffen nach Moskau zu tragen, wie Herr Kiesewetter das gefordert hat? Wissen Sie wirklich nicht mehr, wie es zweimal ausgegangen ist, als größenwahnsinnige deutsche Politiker den Krieg nach Russland tragen wollten? Kommen Sie endlich zur Besinnung, statt unser Land in Gefahr zu bringen! Setzen Sie sich für Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand ein! Und tun Sie etwas für die Freilassung von Julian Assange, damit die Welt sieht, dass Demokratien mit ihren Kritikern anders umgehen als Diktaturen.