Der Gipfel ist die Instrumentalisierung Nawalnys für Ihre Zwecke, lieber Herr Braun. Das geht überhaupt gar nicht. wenn Sie das für normal halten, dann gnade uns Gott, wenn Sie in die Lage kämen, Justiz und Vollzug zu beherrschen. Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tod Alexej Nawalnys wäre sinnlos, wenn uns seine Botschaft nicht erreichte, wenn wir nicht die Signale aufnähmen und daraus die richtigen Konsequenzen zögen. Zunächst: Was sind die Signale? Erstens. Russland unter Putin ist ein Terrorstaat. Wendet sich der Einzelne gegen den Staat, riskiert er sein Leben. Legt jemand im Gedenken Blumen nieder, ist er oder sie ein Staatsfeind. Fügen sich die Nachbarn nicht, werden sie überfallen. Zweitens. Der russische Staat unter Putin schreckt vor Mord nicht zurück. Denn es ist nicht so, wie aus der AfD-Fraktion zu hören war, dass die Todesumstände ungeklärt seien. Tatsächlich ist es so, dass die Mordumstände ungeklärt sind. Ungeklärt ist nämlich, ob mit einer Kugel gemordet wurde, ob mit Gift gemordet wurde – diesmal erfolgreich – oder ob durch die schleichende Folter und die barbarischen Haftumstände gemordet wurde. Drittens. Für alle politischen Gefangenen in Russland und übrigens auch in Belarus besteht höchste Lebensgefahr; viele Namen sind schon genannt worden. Am Montag wurde bekannt, dass in Belarus Ihar Lednik in politischer Haft gestorben ist; er war ein Oppositioneller der belarussischen Sozialdemokraten. Seit einem Jahr gibt es keine Nachrichten von Maria Kalesnikava. Wo ist Nikolaj Statkewitsch? Wo ist Wiktor Babariko? Wir denken auch an Arzjom Ljabedzka, Sergej Tichanowski und an fast 1 500 weitere. Meine Damen und Herren, was für Konsequenzen müssen wir ziehen? Zunächst: Wir selbst dürfen keine Kompromisse machen am höchsten Gut, das unsere freien Gesellschaften kennen: an der Menschenwürde, die unantastbar sein muss – im Inland und im Ausland, für Arme und Reiche, für Geborene und Ungeborene, für Menschen mit politischen Ideen, die wir nicht teilen, und für Menschen, die so denken wie wir. Deswegen beginnt der Widerstand gegen Putin für jeden von uns in der Achtung der Menschenwürde. Die zweite Konsequenz. Wir, die freien Demokratien Europas, müssen unser eigenes Menschenrechtssystem schützen und stärken. Damit meine ich zuvörderst den Europarat und seine Menschenrechtsinstitutionen. Die dritte Konsequenz. Putins Russland ist gefährlich – für seine Bürger, für die Ukraine, für alle weiteren Nachbarn und für uns. So wie der Folterknecht in Nawalnys Gefängnis seinen Schlagstock benutzt, benutzt der Herr im Kreml seine Streitkräfte. Daher müssen wir unsere Verteidigungsanstrengungen massivst verstärken, und das dauerhaft; denn solange Putin herrscht, wird Europa nicht mehr zur Ruhe kommen. Die vierte Konsequenz. Wir müssen uns auch zivil schützen – vor der russischen Propaganda der Desinformation, die natürlich sogleich nach dem Mord an Nawalny eingesetzt hat. So wird verbreitet, er sei an einer Coronaimpfung gestorben. Auf Russia Today – das ist was für Frau Wagenknecht – agitiert Rainer Rupp, ein übler Stasiagent, der in der NATO spioniert hat und dafür zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Er spricht auf RT von der „Heiligsprechung eines ... Rassisten“. Und der Vorsitzende der AfD, Chrupalla, nimmt der Witwe die Ehre und bezichtigt sie einer Inszenierung. Er könne die russische Regierung für den Tod Nawalnys nicht verurteilen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, nicht erkennen, wie menschenunwürdig mit Nawalny umgegangen wurde, Mit dieser Haltung sind Sie wirklich der parlamentarische Arm Putins in diesem Parlament. Wenn wir, meine Damen und Herren, die Konsequenzen ziehen und die Signale, die uns durch den Tod von Nawalny gegeben wurden, erkennen, dann wissen wir, dass er uns auch im Tode stärker gemacht hat als die Folterknechte und deren Schergen. Er hat uns gezeigt, wie gefährlich diese sind. Ruhe in Frieden, Alexej Nawalny! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.