Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn dieses Parlament die Herzkammer der Demokratie sein soll, dann ist der Wahlakt so etwas wie die Hauptschlagader, um diese Herzkammer mit dem Blut demokratischer Legitimation zu versorgen. Deswegen muss man sagen: Operationen am Wahlrecht, auch wenn sie vermeintlich klein sind, sind immer Operationen am offenen Herzen der Demokratie. Und wie operieren Sie mit der Ampelmehrheit an diesem Herzen der Demokratie? Es ist ganz einfach: Erstens gegen alle Regeln ärztlicher Kunst. Und zweitens riskieren Sie den Tod des Patienten. Das ist die Realität Ihrer Politik. Sie zerstören die Grundkonsense zwischen Mehrheit und Minderheit über das Wahlrecht hier in diesem Parlament, und Sie tun das – das hat man heute auch gesehen – in einem Impetus der Überlegenheit und ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist, genau wie Friedrich Merz es gesagt hat, ein großer Schaden für die Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ja, Ihre im vergangenen Jahr beschlossene sogenannte große Wahlrechtsreform ist der viel größere Schaden für die Demokratie als die heute zu diskutierende kleine Wahlkreiskorrektur. Aber auch wenn Sie versuchen, das als Routinevorgang darzustellen, muss man sagen: Beides hängt ja eng zusammen. Sie zeigten hier in den vergangenen zwei Jahren ein perfides Gesamtbild Ihrer Wahlrechtspolitik. Manipulieren, tricksen und mit der Macht der Mehrheit der Minderheit Scheinkompromisse aufdrücken, das ist Ihre Politik, und das ist schlechte Politik für Deutschland. Deswegen ist es auch richtig, wenn Friedrich Merz gewarnt und auf die Parallele zu den Fehlentwicklungen in der amerikanischen Demokratie hingewiesen hat. An dem, was dort in den vergangenen 30 Jahren geschehen ist, sieht man nicht etwa, wohin die Verästelungen des Mehrheitswahlrechts führen, sondern wohin es führt, wenn die Mehrheit einseitig zu ihren Gunsten die Minimalkonsense im Parlament zerstört. Das ist die Parallele. Dass Ihnen das keine Mahnung, sondern Vorbild ist, ist schlecht für unsere parlamentarische Demokratie. Ich finde das vor allem deswegen frappierend, weil Sie es doch sind, die hier keine Gelegenheit auslassen, zu beklagen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet, dass wir ein schlechtes Klima hier im Parlament haben. Ja, aber woran liegt denn das? Das liegt daran, dass Sie die Axt an diesen Grundkonsens anlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Verlauf der Dinge, er geht in eine falsche Richtung. Zunächst ist es ja so: Mit Ihrer sogenannten Wahlrechtsreform haben Sie ja eben keine Wahlrechtsreform zulasten aller Fraktionen hier im Parlament auf den Weg gebracht, sondern Sie haben eine Reform zulasten der Opposition und eine Reform an der Opposition gemacht. Und das machen wir nicht mit, und dem widersprechen wir. Nebenbei haben Sie dann – auch das ist angesprochen worden – mit Ihrem katastrophalen Staatsangehörigkeitsgesetz noch dafür gesorgt, hier jetzt noch perspektivisch ganz viele Neuwähler einzubürgern. Das wird Ihnen und auch der Demokratie in unserem Land schaden, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Spitze des Ganzen ist, dass Sie jetzt eben nicht nur das Wahlrecht, sondern auch noch die Wahlkreise manipulieren. Kollege Hoffmann hat es ja zutreffend gesagt: Ohne rationalen Grund verschieben Sie die Gemeinde Königsbrunn aus dem Wahlkreis Augsburg-Stadt in den Landkreis Augsburg-Land. Dafür gibt es keinen Grund, und das konnten Sie in dieser Debatte heute auch nicht darlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja. Nein. Frau Kollegin Rottmann, das lässt wirklich die Ernsthaftigkeit vermissen, die hier notwendig wäre. Sie machen zum Thema Staatsangehörigkeit einen schönen Scherz und sagen: „Soll etwa nur eingebürgert werden, wer die CDU wählt?“ Das klingt ja toll. Ich kann Ihnen sagen: Wir nehmen es ernst und haben schon vor Monaten davor gewarnt, dass sich eine Erdoğan-Partei in Deutschland auf den Weg machen wird, und da gibt es eine direkte Korrelation mit Ihrem neuen Staatsangehörigkeitsrecht. Das ist doch die Realität in diesem Land. Wenn Sie die Staatsangehörigkeit in Deutschland so auf die leichte Schulter nehmen, dass man hier darüber Scherze machen kann, kann ich Ihnen sagen: Wir wissen, dass das eine ernste Operation mitten im Herz der Demokratie ist. Über das Staatsvolk macht man keine Witze. Die Staatsbürgerschaft steht für uns am Ende und nicht am Anfang der Integration. Das unterscheidet uns maßgeblich von Ihnen. Sie haben eine zweite Frage gestellt, nämlich wieso man hier etwas behauptet. Die Einzigen, die hier etwas behaupten, sind Sie, nämlich dass es diese Manipulation nicht gibt, die von unseren Rednern dargelegt wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will Ihnen noch eins sagen: Ich finde es eine Frechheit, dass Sie das, was die Bundeswahlleiterin gesagt hat, dass es nämlich den Druck aus dem Parlament gab, bis heute nicht ausgeräumt haben. Sie haben nicht ausgeräumt, dass es Ihnen nützt, und vor allem, dass Sie die großen Linien der Wahlrechtsreform zulasten der kleinen Parteien, zulasten der CSU, der Linkspartei, vornehmen; das haben Sie alles nicht ausgeräumt. Sie machen nicht ein Wahlrecht, das diesem Staat nützt; Sie machen ein Wahlrecht, das Ihnen nützt. Das ist schlecht für die Bundesrepublik Deutschland. Gerne. Herr Kollege Höferlin, zwei Fragen, zwei klare Antworten. Zum einen haben Sie auf den Beitrag des Kollegen Thomae, den ich sonst ja auch sehr schätze, hingewiesen. Sie haben in der Tat zutreffend festgestellt, dass er versucht hat, das sachlich zu unterlegen. Es war aber ein untauglicher Versuch und nichts anderes. Denn die Zahlen, mit denen er operiert hat – darauf hat Kollege Hoffmann hingewiesen –, sind falsch. Sie haben hier die Möglichkeit, zwischen verschiedenen politischen Optionen zu wählen, und statt die zu wählen, die irgendwie eine befriedigende Wirkung auch auf die parlamentarische Minderheit hätte, haben Sie sich für die entschieden, die uns am meisten schadet. Das ist Ausdruck Ihres schlechten Demokratieverständnisses. Beim zweiten Punkt will ich Ihnen aber schon Recht geben. Ja, in der Tat: Der Zuschnitt des Wahlkreises, insbesondere der von Augsburg-Stadt, wird nicht allein darüber entscheiden, wer diesen Wahlkreis gewinnt. Darüber entscheidet die Frage, wer der beste Kandidat ist. Deswegen bin ich sicher, dass Volker Ullrich von der CSU den beim nächsten Mal auch wieder gewinnt. Aber es geht um das Prinzip. Weil der Zuschnitt der Wahlkreise in zweierlei Hinsicht natürlich problematisch ist. Zum einen schwächt er die Zuteilung der Stadt Augsburg im Verhältnis zu anderen Wahlkreisen, wenn Ihr Wahlrecht verfassungskonform sein sollte. Oder: Er schwächt natürlich auch, wenn Ihr Wahlrecht verfassungswidrig sein sollte. Deswegen: Sie versuchen nur, die Variante zu wählen, die Ihnen am meisten nützt. Das ist eine Frechheit gegenüber dem Wähler, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will zum Thema Frechheit abschließend auch noch mal darauf eingehen, wie hier der Umgang der parlamentarischen Mehrheit mit dem Oppositionsführer ist. Ich kann mich nur wundern, wenn dann der – was mir bisher verborgen geblieben war – Wahlrechtsexperte der Ampel Professor Karl Lauterbach – Sie haben richtig gehört – jetzt behauptet, so wie Friedrich Merz, so würde die AfD reden. Ich kann Ihnen nur eins sagen: Das ist absoluter Quatsch! Die AfD würde über eine Manipulation reden, wenn es keine Manipulation gibt. Wir reden über eine Manipulation, wenn wir Sie dabei ertappen, und das ist der große Unterschied. Es ist die staatspolitische Verantwortung der Opposition, die Regierung daran zu hindern, die Verfassung zu brechen, und genau das tun wir bei diesem Wahlrecht. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.