- Bundestagsanalysen
Tagesordnungspunkt:
nicht gefunden
Zwischenrufe:
7
Beifall:
6
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss dieser Debatte müssen wir über Ihre Politik reden, lieber Herr Minister Heil, und zwar über die von Ihnen immer wieder proklamierte Weiterbildungsrepublik, die Sie heute komischerweise nicht erwähnt haben. Denn es ist klar: Mit diesem Haushalt beginnt auch die Abwicklung der Weiterbildungsrepublik.
Beifall bei der CDU/CSU
Was für ein Quatsch!)
Ich werde Ihnen das jetzt mal erläutern. Gerade eben haben Sie festgestellt, dass zwei Drittel der langzeitarbeitslosen Menschen in diesem Land keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Sie haben immer wieder für neue Instrumente geworben, die Sie einführen wollen, um Menschen in Weiterbildung zu bringen; aber jetzt legen Sie einen Haushalt vor, der es gerade den Schwächsten noch schwerer macht, an Weiterbildung teilzunehmen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Was ist mit Ihren politischen Vorstellungen in den letzten sechs Monaten passiert? Sie streichen ausgerechnet den Bestandteil beim Bürgergeld, von dem wir noch gesagt haben, dass er einigermaßen sinnvoll ist, nämlich die Belohnung für Weiterbildung, den sogenannten Bürgergeldbonus.
Das Weiterbildungsgeld bleibt zwar erhalten; aber da geht es ja um die Förderung von Abschlüssen. Wir wissen, dass in der Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen häufig Menschen sind, die Probleme mit Bildung haben, die nicht so gerne in Bildungseinrichtungen gehen, die man stark motivieren muss, bei denen es sehr schwierig ist, sie in abschlussorientierte Kurse zu bekommen. Diesen Weg – ich sage mal: den einfachen Weg in Bildung – haben Sie mit diesem Haushalt nun abgeschnitten. Das ist nun wirklich nicht Weiterbildungsrepublik, lieber Herr Heil.
Beifall bei der CDU/CSU)
Zudem machen Sie es den Bürgergeldempfängern noch schwerer, an Weiterbildung zu kommen; denn das Prinzip „Beratung aus einer Hand“ wird aufgelöst. Die Bürgergeldempfänger müssen dann nicht nur zu den Jobcentern, sondern in Sachen Weiterbildung auch zur Agentur für Arbeit gehen.
Ah!)
Das wird natürlich zur Folge haben, dass weniger Menschen in der Weiterbildung ankommen. In meinem Wahlkreis Hameln sind die Agentur für Arbeit und das Jobcenter in der gleichen Straße; sie liegen gegenüber. Trotzdem hat mir das Jobcenter gesagt: Wissen Sie, wir haben hier eine Klientel, bei der wir nicht garantieren können, dass diese Menschen, selbst wenn sie mit einem ausgefüllten Formular rübergeschickt werden, wirklich auf der anderen Seite ankommen. – Wir brauchen diese Betreuung aus einer Hand. Auch das ist eine weitere Hürde, die Sie für die Schwachen an dieser Stelle errichten.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Bitte, ja.
Sehr geehrte Frau Wulf, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich finde, das ist die erste Rede aus Ihrer Fraktion, die sich mal mit Sachfragen der Arbeitsmarktpolitik beschäftigt.
Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das hebt sich sehr wohltuend ab von dem, was wir bisher gehört haben.
Sagt der, der sich in seiner Rede nur mit Beschimpfungen beschäftigt!
Zahlen sind nicht seine Stärke!)
Sie werfen hier Fragen auf, die interessant sind; aber ich will Sie Folgendes fragen: Wir leben in einer Welt, in der wir Fach- und Arbeitskräftemangel haben und in der wir in der Arbeitsmarktpolitik das Ziel haben sollten, Menschen mit Vermittlungshemmnissen wirklich individuell, kreativ und gut zu unterstützen, indem wir mit dem Bürgergeld alle Instrumente dafür schaffen. Glauben Sie nicht, dass es in einer solchen Welt vorstellbar sein muss, einen Menschen nicht mit einem Formular über eine Straße zu schicken, sondern dass sich stattdessen ein Weiterbildungsberater der Agentur für Arbeit unmittelbar mit an den Beratungstisch des Jobcentermitarbeiters setzt und dann die beiden kompetenten Fachleute – davon einer, der speziell für Weiterbildungsthemen geschult ist und sich auskennt – diesen Menschen auf dem wirklich schwierigen Weg, den Sie ja eben beschrieben haben, beraten können?
Wir müssen doch nicht in einer Welt verharren, in der ich Menschen mit einem Formular über eine Straße schicke. Ich bitte Sie, liebe Frau Wulf! Und ich hoffe, dass auch in Hameln, in Ihrem Wahlkreis, die Akteure in der Lage sind, solche Lösungen im Sinne der Betroffenen umzusetzen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege, für die Zwischenfrage bzw. den Appell. – Ich bin mir sicher – wir reden ja viel über Digitalisierung –, dass auch in der Agentur für Arbeit nicht unbedingt dieses Verfahren angewendet werden muss. Aber selbst Ihr Vorschlag, den Sie jetzt machen – dass ein Berater über die Straße kommen soll, dann zwei Leute an einem Tisch sitzen sollen –, ist doch auch aufwendiger als das, was wir vorher hatten.
So ist es!)
Auch das ist doch eigentlich gar nicht nötig; denn vorher haben die Jobcentermitarbeiter beraten und dann der entsprechenden Person die Weiterbildung empfohlen und genehmigt. Von daher können wir an dieser Stelle leider nicht – bei aller Kreativität, die ich den Jobcentern und der Agentur für Arbeit unterstelle – von einer Verbesserung, sondern wir müssen von einer Verschlechterung reden, Herr Kollege.
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte noch auf ein weiteres Thema eingehen: die Weiterbildungsverbünde. Herr Heil, Sie werden mir jetzt gleich sagen, das betreffe nicht Ihren Haushalt; aber es betrifft ganz klar die Frage, wie wir mit Weiterbildung umgehen. Sie haben noch im November auf der Konferenz der Nationalen Weiterbildungsstrategie gesagt, es scheitere häufig an der Frage: Wie viele Weiterbildungen sind überhaupt bekannt, und wie kommen kleine und mittlere Unternehmen und Mitarbeiter in kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt an Weiterbildungen?
Wir alle wissen: 99 Prozent unserer Unternehmen sind keine Großunternehmen; das sind Kleinstunternehmen, kleine Unternehmen oder mittelständische Unternehmen. 60 Prozent unserer Arbeitnehmerschaft sind in diesen Unternehmen beschäftigt. Hier sind die Weiterbildungsbedarfe sehr groß, und genau deshalb brauchen wir Verbundlösungen; genau deshalb haben wir die Weiterbildungsverbünde ja auch eingeführt. Es wäre jetzt an der Zeit, diese auszuweiten.
Stattdessen machen Sie einen Cut; 2024 laufen die Weiterbildungsverbünde aus. Auch das ist ein schlechtes Signal für den Arbeitsmarkt, lieber Herr Heil. Ich appelliere an die Ampel: Bitte korrigieren Sie diesen Kurs!
Beifall bei der CDU/CSU)
Und last, but not least: Sie führen jetzt die Sanktionen beim Bürgergeld wieder ein. Sie haben an dieser Stelle eingelenkt; das war richtig. Es ist trotzdem nicht nachvollziehbar, dass wir ausgerechnet beim Thema Weiterbildung streichen und gleichzeitig Bürgergeldempfänger eine bis zu 12-prozentige Erhöhung kriegen; die Kollegin Launert hat es vorhin gesagt. Davon können ja selbst Mitarbeiter in Bereichen mit großzügigen Tarifverträgen derzeit nur träumen.
Wir sollten diesen Kurs korrigieren
Warum ist das so? Die Inflation!
Die Inflation ist doch viel niedriger!)
– vielleicht auch gemeinsam korrigieren, liebe Kollegin –; der Mechanismus, den wir derzeit im Bürgergeld haben, greift nicht. Lieber Herr Heil, bitte hören Sie nicht auf die Stimmen in der Koalition, die zwar „Bürgergeld“ sagen, aber Richtung bedingungsloses Grundeinkommen gehen wollen! Folgen Sie unserem klaren Kurs! Der heißt: Arbeit muss sich lohnen; Anstrengung muss sich lohnen. – Das wäre angesichts des akuten Fachkräftemangels das richtige Signal.
Ich danke Ihnen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Matthias W. Birkwald.
Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)