Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Union, liebe Frau Dr. Schenderlein, Ihre ziemlich kleinkarierten, geradezu apokalyptischen Visionen vom Untergang von Kunst und Kultur in Deutschland halten weder einem Faktencheck stand – ich empfehle da unter anderem die Herren Fricke und Rohde zur Unterstützung –, noch werden sie dem Ernst der Lage auch nur im Ansatz gerecht. Wenn man wie Sie im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages vor aller Ohren – fast schon zum Fremdschämen – das Staatsziel Kultur madig macht, aber uns hier vorwirft, wir würden das Staatsziel Kultur nicht einbringen, dann wird man nur einem gerecht: dem schönen deutschen Wort „scheinheilig“. Ich möchte mich an diesem Tag auf das Wesentliche konzentrieren. Wir erleben nämlich – das betrifft viele, die im Bereich von Kunst, Kultur und Medien tätig sind – einen regelrechten Kulturkampf von rechts außen, der darin besteht, nicht ertragen zu wollen, dass Institutionen sich öffnen, dass wir uns um Kolonialismus kümmern, dass die Gesellschaft dieses Landes, so vielfältig, wie sie ist, auch im Bereich von Kunst und Kultur abgebildet wird. Wir können Ihnen sagen: Dieser Kulturkampf, den Sie erklärt haben, wird von uns angenommen, und er wird gewonnen – für dieses Land in der Breite, für alle Menschen, die zu diesem Land gehören, aber nicht in Ihrem Sinne. Wenn man diesen Punkt ernst nimmt, kann man nicht, wie Sie es tun, Antisemitismus instrumentalisieren. Denn das ist das Einzige, was Sie tun; es geht Ihnen gar nicht um den Antisemitismus. Wir müssen in dieser Minute aber ernsthaft über Antisemitismus im Bereich von Kunst und Kultur in diesem Land reden. Es ist nämlich kein hinnehmbarer Zustand, wenn jüdische Künstlerinnen und Künstler – und nicht nur einzelne – schreiben, dass sie es nicht wagen, sich frei zu äußern, dass sie es zum Beispiel auch nicht wagen, in einem Kulturausschuss offen zu sprechen; weil sie dann keine Chance haben, künstlerisch weiter in diesem Land tätig zu sein. Das ist nichts, wo man sagen könnte: Das sollte es nicht geben. – Das darf es nicht geben! Und darüber müssen wir reden. Wir können auch nicht hinnehmen – so wichtig differenzierte Diskurse über Kunstfreiheit sind –, dass die Kunstfreiheit von Jüdinnen und Juden in diesem Land nicht ernst genommen wird. Wir haben heute gehört, von Eva Szepesi und Marcel Reif, welche Schneisen der Verwüstung der Traumatisierungsschmerz von Ausschluss, Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden in Familien geschlagen hat. Deshalb müssen wir aufschreien, wenn die Kunstfreiheit von jüdischen Künstlerinnen und Künstlern in diesem Land nicht gewährleistet ist. Das ist die politische Frage, der wir uns stellen müssen. Das sind die Bedingungen, die die Politik schaffen muss: Freiheit muss immer auch die Freiheit der anderen sehen. Deshalb kann es nicht sein – das ist mit diesem Haushalt zu beantworten, auch mit dem nächsten, mit unserer Bundeskulturpolitik –, – – dass wir bei anderen Themen immer selbstverständlich sagen – und zu Recht –: „Gesellschaftliche Fragen sind bei Kunst und Kultur zu berücksichtigen“, aber bei Jüdinnen und Juden auf die Kunstfreiheit verweisen. Nein, es geht um die Kunstfreiheit derer, die jüdische Perspektiven einbringen wollen – der haben wir gerecht zu werden. Dieser Verantwortung werden und müssen wir uns stellen.